UNHCR: Rückkehr nach Bosnien verfrüht

■ Nur die muslimische Nationalpartei wünscht die Rückkehr der Flüchtlinge

Sarajevo (taz) – Kris Janowski, der Sprecher des UN-Flüchtlingswerkes UNHCR ist sichtlich unzufrieden. Er habe alle deutschen Delegationen, die nach Bosnien- Herzegowina gekommen seien, davor gewarnt, die Rückkehr der Flüchtlinge nach Bosnien-Herzegowina zu beschleunigen. Gerade angesichts des bevorstehenden Winters sei an eine Rückkehr keineswegs zu denken. Er danke Deutschland für die Bereitschaft zur Aufnahme von 350.000 Menschen und verstehe den finanziellen Druck für die deutschen Bundesländer. „Die Flüchtlinge jedoch ins Ungewisse zu schicken, wäre schwerlich zu verantworten.“

Auch andere Kenner der Lage in Bosnien-Herzegowina verweisen darauf, daß die meisten Vertriebenen aus dem Gebiet der Republika Srpska kommen, die sich nach wie vor weigert, vertriebene Muslime und Kroaten wieder aufzunehmen. Erst kürzlich erklärte die gerade durch die Wahlen im Amt bestätigte Präsidentin der serbischen Teilrepublik in Bosnien- Herzegowina, Biljana Plavšić gegenüber der taz, in der Republika Srpska gebe es nur 22 Prozent des im gesamten Land zur Verfügung stehenden Wohnraums. Für sie komme es darauf an, die serbischen Flüchtlinge unterzubringen. Daß noch vor vier Wochen 80 Muslime aus Banja Luka vertrieben worden sind, zeigt jedoch mehr: nämlich die auf serbischer Seite nach wie vor praktizierte Politik der ethnischen Trennung.

Aber dies alles müssen die deutschen Innenminister gewußt haben, erklären Sprecher der Hilfsorganisationen. Sie knüpfen wie Kris Janowski an die differenzierte Entscheidung der Innenministerkonferenz die Hoffnung, daß auch jene Bundesländer, die ab dem 1. Oktober abschieben wollen, ihr Versprechen einlösen und die Lage vor Ort berücksichtigen.

Ähnlich wie die internationalen Hilfsorganisationen argumentieren die meisten Parteien im Gebiet der Bosniakisch-Kroatischen Föderation. Sie verweisen darauf, daß einige tausend Menschen schon freiwillig zurückgekehrt seien, daß in diesem Sommer und während der Wahlen Zehntausende gekommen seien, um ihre alte Heimat zu besuchen und für sich herauszufinden, ob und wie sie zurückkehren könnten. Viele dieser aus dem muslimisch kontrollierten Gebiet stammenden Flüchtlinge hätten versucht, ihre Wohnungen oder ihr Eigentum zu sichern.

Schwierigkeiten mache im Gebiet der Bosniakisch-Kroatischen Föderation die Reaktion der örtlichen Behörden. Mehr noch auf dem von Kroaten als auf dem von den Muslimen kontrollierten Gebiet hätten jene, die nicht der eigenen Volksgruppe angehörten, mit hohen bürokratischen Hürden zu rechnen. In manchen von Kroaten kontrollierten Gebieten sei eine Rückkehr von Muslimen und auch Serben zur Zeit noch völlig ausgeschlossen.

Einzig die muslimische Nationalpartei SDA fordert die baldmöglichste Rückkehr der Vertriebenen. Wie Izetbegović bei seinem Deutschlandbesuch im August erklärte der Stellvertretende Vorsitzende der SDA Ceman gegenüber der taz, das Land brauche die Rückkehrer für den Wiederaufbau. Sie sollten auch in die Republika Srpska zurückkehren, wenn nötig, in Massenaktionen. Seine Partei werde solchen Konflikten nicht ausweichen, das Recht müsse durchgesetzt werden. Über die zwischenzeitliche Unterbringung der Rückkehrer dagegen sagte er nichts. Daß ein großer Teil der sich auf dem muslimisch kontrollierten Territorium befindenden Flüchtlinge unter teilweise menschenunwürdigen Umständen nach wie vor in Massenlagern dahinvegetieren, bedauert die SDA, überläßt die Versorgung der Flüchtlinge jedoch zumeist den Hilfsorganisationen. Erich Rathfelder