Rockisten-Theater mit Niedlichkeitsbonus

■ Wenig Benefitz-Gäste beim „1. Hamburger Schlachtfest“ im Gaswerk

Ist die Jugend nur noch kompromißlos konsumorientiert und bar jeglichen sozialen Engagements? Jüngstes Gegenbeispiel: Die Schlachtplatte Hamburg, ein im Mai dieses Jahres gegründetes Projekt etwa zwanzig junger, engagierter Mitmenschen unter Schirmherrschaft von Lilo Wanders. Karitatives Ansinnen ist es, die Hamburger Tafel e.V. zu unterstützen, einen Verein, der überschüssige Lebensmittel sammelt und sie an Bedürftige verteilt.

Hauptinitiatorin Birgit Fischer wollte „den Reichtum um mich herum sinnvoll nutzen.“ Ein erster Schritt sollte das 1. Hamburger Schlachtfest sein, zu welchem die Schlachtplatte am Freitag abend ins Gaswerk einlud. Schade nur, daß sich wegen spärlicher Ankündigungen nur einige Dutzend Benefizfreunde einfanden.

Fanny Müller kredenzte die literarische Vorspeise zu diversen musikalischen Hauptgängen. Ihre lakonischen Beschreibungen der normalen Absurditäten kleinbürgerlichen Daseins erzeugten zwar Heiterkeit, doch die Alltagsanekdoten um „Zitronenphimosen“ und Rex Gildo verliefen sich rasch in der wenig heimeligen Atmosphäre des Gaswerks, der es an der nötigen Intimität mangelte.

Im Anschluß langweilten die braven Poprocker vom Bombayclub, deren möchtegernpathetische Sängerin den 80er-Collegerock noch mit spießig-einstudierter Gestik verunzierte. Die pubertierenden Hardcore-Crossover-Bengel von Das Inferno demonstrierten anschließend – trotz Niedlichkeitsbonus – ihre nicht vorhandene Originalität durch uninspiriertes Gebrülle.

Flugschädel/Boksch boten da schon Anspruchsvolleres. Zwar pflasterte ihre Industrial-Tribal-Mischung letztlich das Differenzempfinden einigermaßen zu, die Headbang-Maschine vor der Bühne war aber schon schön. Nicht schön hingegen Sub Orange Frequency: Die eigentlich ordentliche Rockmusik wurde verdorben durch schlimmes Gepose vor allem des pseudo-avantgardistischen Sängers. Veritables Rockisten-Theater. Zum Abschluß der Rockschlacht erklommen Motorsheep die Bühne und verschenkten Schäfchen. Selbige hatten einige Gäste schon früh zu zählen begonnen. Eine Schlacht ohne Krieger.

Damit dies nicht noch einmal passiert, sei bereits jetzt zur CD-Release-Party der Schlachtplatte aufgerufen, die am 23. November in der Großen Freiheit stattfinden wird, und wo von den fünfzehn auf der CD vertretenen Bands (u.a. Tocotronic, Die Sterne, Fettes Brot, Fischmob) sieben live spielen werden. Denn schließlich lautet das generelle Fazit eindeutig: Diese Schlacht ist so schlecht nicht!

Christian Schuldt