Woody Allen aus der DDR

■ Der Solo-Abend „Helden wie wir“ erwies sich als Intensivprogramm: Zwei Stunden Osten - hautnah, total verklemmt und urkomisch.

„Ich hatte nie Probleme mit der These, daß der Mensch vom Affen abstammt, aber ich sträubte mich beharrlich dagegen, von fickenden Eltern abzustammen. Oder, um genauer zu sein, von fickenden Erziehungsberechtigten.“ Wer solche Bekenntnisse auf der Bühne des Brauhauskellers von sich gibt, der muß sich nicht wundern, wenn der Saal tobt. Bei der Premiere von Thomas Brussigs „Helden wie wir“ nahmen die Lachsalven jedenfalls kein Ende. Daß dieses Stück so fernab von der ehemaligen Zonengrenze überhaupt auf den Spielplan kam, muß dem Ensemble am Goetheplatz zugerechnet werden, denn schließlich stellen die Ostler hier die Mehrheit. Daß aus der Spielplanposition auch noch eine erfolgreiche Inszenierung wurde, liegt indes an den Insiderkenntnissen und dem komödiantischen Talent des aus Magdeburg nach Bremen gekommenen Solisten Andreas Herrmann.

Dabei wurde der Bestseller „Helden wie wir“ des Ost-Autors Thomas Brussig, der die Grundlage des Solo-Abends darstellt, ursprünglich unter einem ganz anderen Markenzeichen verkauft. Endlich ist er da, der Wende-Roman, hieß es vor einem Jahr bei Erscheinen. Daß dies eine ironische Antwort auf den Literaturbetrieb war, der die GegenwartsautorInnen zur Problematisierung der Wende drängte, sprang einem aus den geöffneten Buchseiten entgegen.

Aufklärungsdesaster, jugendlicher Triebstau und verklemmte Obszönitäten zwischen und in den Zeilen. Denn nicht nur unter kapitalistischen Ausbeutungsverhältnissen denken die Männer als Inhaber der Macht mit dem Schwanz. Auch im Sozialismus kreist nach Brussigs Selbstbeobachtung alles um das primäre männliche Geschlechtsorgan. Doch entgegen der wiederholt aufgestellten Behauptung der Bildzeitung ist er damit noch nicht zum besseren Liebhaber geworden.

Klaus Uhltzscht, so der Name unseres Helden, hat auch als angehender Stasimitarbeiter immer noch keine brauchbaren Erfahrungen mit den Genossinnen von der FDJ gesammelt. Als Ersatz muß der Quelle-Katalog herhalten, genauer gesagt, die Unterwäsche mitsamt Modell. Vier Seiten Vierfarbdruck hat er bei einem Freund aus dem begehrten West-Druckerzeugnis entwenden können. Seitdem dienen die Trägerinnen von westlichen Triumph-Büstenhaltern als Projektionsfläche für grenzüberwindende Phantasien.

Andreas Herrmann wirkt unter der Regie Jochen Fölsters zwei Stunden lang so, als sei ihm die Rolle auf den Leib geschneidert. Mit einem Feuerwerk an komödiantischem Verwandlungsgeschick macht er den Klaus aus „Helden wie wir“ zu einem, den man kennt und doch nicht mehr kennen möchte. Der ewige Loser, der Mitleid erweckt und zugleich peinlich berührt. Während er noch rätselt, ob er nun tatsächlich von der Stasi angeheuert wurde, hat er schon seine Aufgabe zugewiesen bekommen: „a) ein Auge darauf zu haben, daß b) immer genug Salzstangen da sind“. Klaus Uhltzscht - ein Woody Allen des Sozialismus. Zu verklemmt und spießig taubengrau kommt er in seinem Freizeitblouson und dem unverzichtbaren 50er Jahre Herrenhut daher. Der hinterläßt gleich zu Beginn tiefen Eindruck, als sich der Schauspieler des Abends mit Hilfe des Requisits ansatzlos in den Landesvater Honecker verwandelt und mit seiner Fistelstimme und rhetorischer Antibegabung das Geburtstagsständchen zum 40sten Jahrestag der DDR singt: „Vor 40 Jahren standen wir vor dem Abgrund“, heißt es in schöner Selbsterkenntnis, „und heute sind wir einen Schritt weiter“. Susanne Raubold

Nächste Vorstellungen: 25., 27. 9. und 3. 10 um 20.30 Uhr.