Unterm Strich

Auch du, Strittmatter? Der 1994 im Alter von 81 Jahren gestorbene DDR-Bestsellerautor Erwin Strittmatter („Ole Bienkopp“, „Der Laden“) war nach Recherchen des WDR zeitweise „Geheimer Informant“ (GI) des DDR-Staatssicherheitsdienstes. Das belegten Dokumente der Gauck-Behörde, die der WDR in seiner Dokumentation „Angst – Mißtrauen – Haß. Was die DDR-Staatssicherheit anrichtete“ am kommenden Mittwoch in der ARD (21.45 Uhr) sendet. Wie der WDR allerdings betont, sei Strittmatter kein Denunziant und Spitzel gewesen, sondern habe offensichtlich aus politischer Überzeugung gehandelt. Aus Strittmatters vollständig erhaltener Stasi-Akte geht hervor, daß die Kontaktaufnahme der Stasi mit ihm im September 1958 erfolgte. Bei den nachfolgenden Treffen habe der Autor, der den Decknamen „Dollgow“ erhielt, Interesse an einer Zusammenarbeit bekundet. Strittmatter war gerade zum Ersten Sekretär des Deutschen Schriftstellerverbandes der DDR gewählt worden. 1959 sei der Autor als GI, einer Stasi- Kategorie des „Inoffiziellen Mitarbeiters“ (IM), mündlich verpflichtet worden. Die Zusammenarbeit kam 1961 zum Erliegen und wurde 1964 eingestellt. Strittmatters damaliger Führungsoffizier notierte den Akten zufolge über den Autor: „Seine Hinweise waren wertvoll und konnten stets operativ ausgewertet werden.“ Die Regeln der Konspiration seien vom GI stets beachtet worden. Strittmatter lieferte dem WDR zufolge Informationen über das Führungsgremium des DDR-Schriftstellerverbandes und habe Einschätzungen über Kollegen wie Stefan Heym, Stephan Hermlin, Arnold Zweig und Peter Hacks gegeben. Die Witwe des Schriftstellers, die Lyrikerin Eva Strittmatter, hält eine „echte aktive Mitarbeit“ ihres Mannes für die Stasi für ausgeschlossen. „Ich kann mir keinen Reim darauf machen, so wie ich den Charakter meines Mannes einschätze.“ Richtig sei, daß ihr Mann in seiner Position als Sekretär des Schriftstellerverbandes „ganz ohne Zweifel“ den damals bei solchen Posten üblichen Kontakt mit dem für den Schriftstellerverband zuständigen Stasi-Mann gehabt habe. „Von anderen Dingen weiß ich nichts“, sagt sie. „Aber die sind bei ihm eingedrungen, und es wurde ihm dies alles ja auch zur Last und behinderte ihn immer mehr“, was ihn nicht zuletzt zur Aufgabe des Amtes bewogen habe. Sie könne sich an ein konspirates Treffen mit einem Stasi-Mitarbeiter in ihrer Berliner Wohnung 1959 erinnern, den ihr Mann ihr als einen Herrn „von der Firma“ mit falschem Namen ankündigte. An dem Gespräch habe sie nicht teilgenommen. Eva Strittmatter erinnert daran, daß ihr Mann im Sommer 1960 todkrank gewesen sei und dann den Roman „Ole Bienkopp“ begonnen habe, mit dem er selbst in Konflikt mit den DDR-Behörden geriet. Eine Akteneinsicht habe ihr Mann nie beantragt. Sie habe das jetzt nach seinem Tod getan.