Gentest bei künstlicher Befruchtung

■ Lübecker Ethikkommission befürwortet erstmals Präimplantationsdiagnostik

Seit zwei Jahren läßt der Lübecker Reproduktionsmediziner Klaus Diedrich keine Gelegenheit aus, um für sein Vorhaben zu werben: Der erste möchte er sein, der in Deutschland die sogenannte „Präimplantationsdiagnostik“ (PID) ausprobieren darf.

Die Methode, die in Belgien, Großbritannien und den USA schon gelegentlich eingesetzt wird, dient der Identifikation und Aussonderung von Embryonen mit unerwünschten genetischen Eigenschaften: Drei Tage nach der künstlichen Befruchtung, im Achtzellstadium, saugt der Diagnostiker dem Embryo mit einer Hohlnadel eine Zelle ab und unterzieht sie einem Erbgutcheck. Spürt der Arzt dabei die gesuchte Abweichung auf, wirft er den Keim in den Krankenhausmüll. Stellt er keinen „Gendefekt“ fest, setzt er den Embryo in die Gebärmutter der Patientin ein; die statistische Chance, daß sie schwanger wird, beträgt etwa 30 Prozent.

Das deutsche Embryonenschutzgesetz, seit 1991 in Kraft, verbietet die PID. Vor allem Behindertenverbände und Selbsthilfegruppen, aber auch viele ÄrztInnen lehnen sie als „eugenische Technik“ strikt ab. Befürchtet wird zudem moralischer und finanzieller Druck auf Eltern, die sich trotz vorgeburtlicher Diagnose- und Vermeidungsoptionen für behinderte Kinder entscheiden.

Ungeachtet der Bedenken hat sich die Ethikkommission der Medizinischen Universität zu Lübeck veranlaßt gesehen, einen PID-Antrag Diedrichs fast zwölf Monate lang hinter verschlossenen Türen zu beraten und zu bescheiden. Als Testpaar hatte Diedrich eine Frau und einen Mann mit einem Gendefekt vorgeschlagen, der vererbt werden und bei ihren Nachkommen Cystische Fibrose (Mukoviszidose) verursachen kann.

Das Kommissionsvotum erfuhr auch die Pressestelle der Lübecker Universität erst aus den Medien. Aus rechtlicher Sicht, so die acht ausgewählten Experten, könnten sie Diedrichs Antrag zwar nicht zustimmen. Doch „bezogen auf diesen speziellen Fall“, hätten sie Zweifel, „ob das Embryonenschutzgesetz ethisch noch vertretbar ist“. Das Gutachten der Kommission ist – das war schon vorher klar – rechtlich unverbindlich. Doch darauf kommt es den Beteiligten ohnehin nicht an: Es geht ihnen um die politische Wirkung. So ist das Votum im Bonner Gesundheitsministerium denn auch bereits eingetroffen. Absender: Professor Diedrich.

Inwieweit die Lübecker „Zweifel“ schon verfangen haben, kann sich am Donnerstag zeigen, wenn die Parlamentarische Versammlung des Europarats die umstrittene Bioethik-Konvention debattiert. Der Entwurf erlaubt sowohl PID als auch Forschung an Embryonen. Klaus-Peter Görlitzer