Starke Chefs für eine kleinere Uni

■ Die Hochschulen sollen kleiner und besser werden: Ein Interview mit Hamburgs Wissenschaftssenator Leonhard Hajen, der Globalhaushalte für eine intelligente Idee hält

taz: Eigentlich wollten Sie Wirtschaftssenator werden – wie fühlen Sie sich als Wissenschaftssenator?

Hajen: Sehr wohl.

Das politische Gewicht eines Wissenschaftssenators ist in Hamburg aber sehr bescheiden.

Immerhin haben wir den viertgrößten Etat. Der Senat gewichtet aber nach der Vordringlichkeit von Aufgaben. Und die liegen auf Arbeit schaffen, Wohnen und Jugend. Insofern haben Sie recht. Wir sehen uns in einem Nachrangigkeitsbereich.

Sie sind der erste Wissenschaftssenator mit SPD-Parteibuch seit Jahrzehnten. Haben sie das gespannte Verhältnis zwischen Partei und Wissenschaft bessern können?

Das angeblich schlechte Verhältnis halte ich für einen Mythos. Wir haben doch mit der TU Harburg eine neue Universität gegründet, als andere Länder schon längst auf die Sparschiene gegangen sind. Der Zusammenhang zwischen einer hohen Qualifikation der Forschung und der Modernisierung von Wirtschaft ist doch bei uns längst erkannt.

Wissenschaft rangiert bei der SPD ganz weit hinten. Haben Sie daran was ändern können?

Ich glaube ja. Der Wissenschaftssenator befindet sich in dem Spagat, den auch die Partei machen muß. Sie ist einerseits die Partei der kleinen Leute – muß sich um soziale Sicherung und um diejenigen kümmern, die eher Modernisierungsverlierer sind –, sieht aber auch gleichzeitig ihre Aufgabe diesen Modernisierungsprozeß voranzubringen.

Wir haben es da aber sehr viel schwerer als die Konservativen. Die Kollegen von der CDU können immer ganz schlank sagen, baut den Sozialstaat ab und gebt mehr Geld in die Wissenschaft. Dagegen steht: Sozialer Friede ist keine Wohltat für die Armen, sondern ein Produktionsfaktor, ohne den es die wirtschaftlich erfolgreiche Bundesrepublik nie gegeben.

Wenn man Ihre These mal stehen läßt, daß Hamburg wirklich nicht mehr Geld für die Hochschulen hat: Wie wollen Sie die Effizienzreserven der Hochschulen wachkitzeln?

Die intelligenteste Maßnahme war hier die Einführung von Globalhaushalten. Bisher galt: Neues geht nur mit neuem Geld. Eine mittlere Revolution sind auch die Leistungskennziffern. Wir fragen nach dem Output.

Das Problem nur: Mit welchen Kennziffern will man die Qualität von Lehre und Forschung eigentlich beschreiben? Darum tobt die Diskussion.

Gegenwärtig kümmern sich drei Verwaltungsapparate um Geld und Personal an den Hochschulen: Selbstverwaltung, Univerwaltung und Wissenschaftsbehörde. Muß sich daran nicht einiges ändern?

Deshalb stärken wir in der Hochschulgesetznovelle, die im Herbst in die Bürgerschaft kommt, die Rolle der Dekane. Die verfügen über die Mitarbeiter und Sachmittel ihres Fachbereichs. Die Gremien, in denen es heute oft noch nach dem Prinzip „Deine Tante, meine Tante“ und die letzten 3,50 Mark geht, sollen sich auf grundlegende Fragen und Richtungsentscheidungen konzentrieren.

Wer kontrolliert diese Dekane? Gremien mit Professorenmehrheit? Wir wundern uns, welche Allmacht zugesprochen wird: Lehre, obwohl sie das nie gelernt haben, und nun sollen sie plötzlich auch noch Budgets verwalten und Personal betreuen können.

Bei der Einführung der Präsidialverwaltung 1970 haben wir diese Funktionen in der Person des Präsidenten gebündelt. Manche Erwartungen haben sich nicht erfüllt. Eine Universität mit 40.000 Studenten und 5000 Beschäftigten kann man nicht so führen wie eine kleine überschaubare Hochschule – das sehe ich auch. Da hilft: Personalentwicklung und Strukturen zu verändern.

Globalhaushalte und Hochschulmanagement – dazu reicht doch eine kleine feine Abteilung in der künftigen Hamburger Kulturbehörde locker aus. Die Wissenschaftsbehörde kann abgeschafft werden.

Jeder Senat kann sehen, wie er seine Aufgaben ressortmäßig organisiert. Aber: Als Dienstleistung an Demokratie muß es eine Kulturverwaltung geben, die auch Ziele formuliert. Ich will bildungspolitisch gestalten. Selbststeuerung heißt nicht, da habt ihr das Geld, macht was Schönes. Und: In diesem System ist immer noch der Staat die Schutzmacht für die Studierenden. Selbstverwaltung in den Hochschulen heißt doch nichts anderes, als daß die Mehrheit der Professoren bestimmt.

Gutes politisches Controlling finden wir prima.

Dazu braucht man einen Apparat.

Aber nur einen kleinen.

Wir sind klein. Mit 153 Mitarbeitern.

Wir wäre es mit 20?

Das wäre der Abschied der Politik aus der Gestaltung der Hochschulen.

Die Gegenthese lautet: Gestaltende Politik fängt erst dann an, wenn sie – statt zu verwalten und sich in alles einzumischen – endlich Zielvorgaben und effektives Controlling in den Vordergrund stellt. Warum verlagern Sie nicht einen Gutteil ihrer 153 Stellen in die Hochschulen?

Wie sollen Senat und Bürgerschaft dann noch steuern? Organisationen entwickeln ihr Eigenleben. Es ist ja nicht so, daß Mitglieder der Selbstverwaltung in der Zeitung lesen, was der Senat will, und sich dann bienenfleißig an die Arbeit machen.

Im Augenblick fragen sich viele Hochschulpräsidenten vergeblich, was ihre qualitativen Zielvorgaben sind.

Falsch – die stehen im aktualisierten Strukturentwicklungskonzept als programmatische Eckpunkte und quantitative Vorgaben. Zielvorgabe für die TU ist zum Beispiel ein weiterer Ausbau, die Universität muß um 15, die HWP um 11 und die Fachhochschule um 7 Prozent Studienplätze abbauen. Wir haben auch andere Zielvorgaben, wollen in Zukunft Leistungsvereinbarungen schließen. Es ist aber eine Schwerstarbeit, von dem herkömmlichen Haushaltsansätzen auf das neue output-orientierte System umzusteigen.

Wie sieht Hamburgs Hochschullandschaft im Jahr 2010 aus – vorausgesetzt, die SPD wäre in diesem Zeitraum überhaupt noch für die politische Gestaltung verantwortlich?

Kleiner, aber besser.

Welchen Job streben Sie denn in der nächsten Legislaturperiode an – bei einer großen Koalition wird es ja wohl wieder nix mit dem Wirtschaftsressort.

Ich hab soviel Arbeit, da hab ich noch garnicht drüber nachgedacht.

Zurück an die HWP?

Das ist eine wunderbare Hochschule. Ich beglückwünsche jeden, der da ist. Fragen:

Patricia Faller / Florian Marten