Bilderfälscher Von Mathias Bröckers

Mit dem derzeit laufenden Gerichtsverfahren gegen einen Fernsehjournalisten, der Redaktionen bei RTL und Pro 7 mit gefälschten Dokumentationen beliefert hat, wird das Thema Medienfake einmal mehr eine Krokodilsträne reicher. So typisch die abschwörenden Redakteure und Programmverantwortlichen, die natürlich von nachgestellten Szenen nichts gewußt haben, so nützlich ist der Fall fürs Geschäft im ganzen. Denn wenn ein Fälscher lautstark und martialisch verurteilt wird – auf den Bildern von Prozeßauftakt wurden die Handschellen in Großaufnahme gezeigt –, was bedeutet das für die täglich weiter ausgestrahlten Explosiv- und Klatschmagazine? Es macht sie glaubwürdiger. Wenn ein schwarzes Schaf geschlachtet wird, macht das die ganze Herde weißer. Der angeklagte Journalist, der eine Laienspielschar beschäftigte und unter anderem gestellte Bilder deutscher Neonazis bei nächtlichen Ku- Klux-Klan-Ritualen lieferte, behauptet, die Redaktionen hätten von der Fragwürdigkeit seiner Dokumentationen gewußt. Ja, sie hätten ihn vor allem dann angeheuert, wenn zu einem bestimmten Thema besonders spannendes Bildmaterial gesucht wurde. Auch wenn das die simple Schutzbehauptung eines Betrügers sein könnte, ihre Logik stimmt. Die zwischen den bunten Werbeblöcken eingespannten News-Magazine schreien nach ebenso bunten und sensationellen Bildern – ein nüchterner Bericht, etwa über das Treiben von Rechtsradikalen, hat da wenig Chancen. Kapuzenmänner mit Fackeln dagegen und spukhafte nächtliche Rituale, das knallt rein. Fernsehen, so der Medientheoretiker McLuhan, ist das Lagerfeuer des 20.Jahrhunderts. Tatsächlich versammelt sich allabendlich ein Großteil der modernen Menschenherde um den Schein der Glotze, um sich mit Geschichten berieseln zu lassen. Anders als die leibhaftigen Erzähler im Vor-Medien- Zeitalter, bei denen Aufschneiderei und Seemannsgarn von den wahren Geschichten leicht zu unterscheiden waren, ist dieser Unterschied im Reality-TV unserer Tage nicht mehr auszumachen. Es lebt einzig davon, daß das Gezeigte als wahr, echt und wirklich ausgegeben wird. Und dazu braucht es „echte“ Bilder. Der Betrugsvorwurf gegen einen Lieferanten dieser Bildermaschine – hätte er nicht stattgefunden, man hätte ihn erfinden müssen, um all die anderen explosiven und brisanten Bilder weiterhin als echt durchgehen zu lassen. Daß dieselben Sender, die sich dieses Nachrichtenreporters mit Laienspielschar bedient haben, jetzt mit dem Super-Tele auf seine Handschellen zoomen, spricht Bände. Es macht aus dem Alltagsgeschäft die Aktion eines kriminellen Außenseiters. Auf daß der nette Moderator mit dem treuherzigen Blick auch morgen wieder glaubwürdig die tollsten Fakes als harte Fakten verkaufen kann. Keine noch so entlegene Sexualneurose, keine noch so abstruse Marotte oder Abnormität, die nicht bei Meiser und Schreinemakers schon dreifach durchgetalkt oder uns in einem brisanten Dokumagazin präsentiert worden wäre. Was das Fälschen, das Simulieren von Realität, die Verlogenheit angeht, stehen diese Inszenierungen den plump gefälschten Nachrichtenbildern keineswegs nach. Wenn das erst einmal alles vor Gericht kommt – das wird ein echter Mammutprozeß!