Spielertypen der 90er
: Siddhartha und Töppen

■ Folge 1: Der leichtfüßige Softie

Der leichtfüßige Softie spielt in Bremen oder Freiburg im Mittelfeld oder Gitarre, hat lange Haare, ißt vegetarisch, glaubt an Gott oder das chinesische Horoskop, fährt mit dem Fahrrad zum Training, trennt Müll und wäre als Berufsaktivist zu Greenpeace gegangen, wäre er nicht Fußballer geworden. Fußball ist für ihn nicht alles, es gibt für ihn auch ein Leben vor, neben, nach und hinter dem Fußball. Die Vermarktung durch Werbung und Privatfernsehen findet er nicht so toll, weil da der Fußball so ein bißchen mißbraucht wird für die Wirtschaft. Er hat Abitur, kaum gelbe Karten und ist einer der wenigen, die ihre Gegner nie anspucken, ihre Mitspieler nie beschimpfen und für ihre Freunde kochen.

Wird er von Reportern interviewt, ist er locker drauf, plaudert und schwäbelt. Nie läßt er sich zu Bemerkungen wie „Leck mich“ oder abfälligen Gesten hinreißen wie Basler oder Effenberg, die Reporter fragen ihn allerdings auch nie Dinge, nach denen dies angebracht wäre, denn auch sie finden ihn „hochsympathisch“.

Er ist nicht verheiratet, hat aber eine Freundin. Viele junge Mädchen schreiben ihm Fan- oder Liebesbriefe, die er alle eigenhändig beantwortet. Bald wird die Bravo eine Fotostory über ihn bringen, und wenn er einmal zwei Tore in einem Spiel schießen wird, auch der Kicker. Das wird ihm ein wenig peinlich sein, aber er wird es gelassen hinnehmen, denn er macht Yoga zur Entspannung und liest Bücher über Zen-Buddhismus, Hermann Hesse hat er in seiner noch nicht allzu fernen Jugend „verschlungen“ und fand ihn super. Im Kino sieht er sich lieber neue deutsche Komödien an, während seine Mannschaftskameraden auf Videos mit Schwarzenegger und Van Damme stehen.

Seinen Trainer respektiert er, bedauert ihn aber auch ein wenig, weil er nichts anderes als Taktik im Kopf hat. Trainer möchte er deshalb nicht werden, wenn er mit dem Fußball aufhört, eher etwas Sinnvolles tun, vielleicht Lehrer oder Tropenforscher im Regenwald. Die Nationalmannschaft ist noch kein Thema, dazu kann er noch nichts sagen. Ob er schon im Notizbuch von Berti Vogts steht, weiß er nicht.

Alle weiblichen Fans lieben ihn, einige männliche können ihn deshalb nicht ab. Reporter wie J. B. Kerner sagen über ihn gerne solche Dinge wie: „Seine Aufstellung war ein genialer Schachzug von Willi Lemke, um die jungen Mädels ins Stadion zu locken. Für Mirko Votava läßt – mit Verlaub – keine 16jährige die Inlineskates stehen.“ Joachim Frisch

Trainer: Volker Finke

Tor: Jörg Schmadtke; Abwehr: Da Softies die Abwehrarbeit scheuen wird ein 1-0-7-3-System gespielt

Mittelfeld: Andreas Zeyer, Marco Bodo, Christian Brand, Alain Sutter, Rob Maas, Thomas Seeliger, Oliver Freund (letztere aus Mangel an Softies wegen des Klangs ihrer Namen); Angriff: Peter Közle, Uwe Spies, Jens Scharping (s.o.).

Prognose: Dieses Team würde jeden Fairneßpokal abräumen, pro Spiel aber ein halbes Dutzend Tore kassieren.

Die Softie-Elf: