Im Zweifel für Safwan Eid

■ Widersprüchliches vom Hauptzeugen in Lübeck

Der Showdown, den manche gestern im Lübecker Landgericht erwartet hatten, fand nicht statt. Der Sanitäter Jens L. sollte glaubhaft machen, daß ihm der Angeklagte Safwan Eid in der Tatnacht gestand, den Brand gelegt zu haben. So lautete das Kalkül der Staatsanwaltschaft. Das ist gestern gescheitert.

Denn in entscheidenden Punkten verhedderte sich der Hauptbelastungszeuge, auf dessen Aussage die Anklage wesentlich aufbaut, heillos in Widersprüchen. So nannte er gestern einen neuen Ort, an dem er von Safwan Eid die Worte „Wir waren's“ gehört haben will. Unbewiesen blieb auch seine Behauptung, daß ihn erst sein Sanitäterkollege Matthias H. dazu gebracht habe, mit Eids Geständis zur Polizei zu gehen. Im Gegenteil: Offenbar hat der Hauptbelastungszeuge vielen bereits am Tag nach dem Brand seine Version erzählt. Kurzum: Die Anklage gegen Safwan Eid bröckelt.

Auch die ruhige Art, in der Eids Verteidigerin Gabriele Heinecke den Hauptbelastungszeugen befragte, zeigte dem Gericht, daß es Zweifel an der Wahrnehmung des Rettungssanitäters gibt – ohne ihn deshalb gleich zur Unperson zu stempeln. In ihrem Fadenkreuz scheinen nach wie vor die Ermittlungsbehörden zu stehen: Warum haben diese die Grevesmühlener Spur nicht weiterverfolgt? Weshalb ignorierten sie die Aussagen der Überlebenden des Brandes, daß es unter den Bewohnern des Asylbewerberheims an der Lübecker Hafenstraße keinen Streit gab? Und weiter: Warum mußte Staatsanwalt Michael Böckenhauer seine Arbeit ohne nennenswerte Kollegenhilfe verrichten? So drängt sich mittlerweile der Eindruck auf, daß Safwan Eid das willkommene Objekt abgeben sollte, um von möglichen deutschen Tätern abzulenken.

Daß Jens L. die Hypothese der Anklage durch seine Aussage faktisch falsifizierte, blamiert die staatlichen Ermittler zutiefst. Im Grunde kann der Prozeß gegen Safwan Eid zu den Akten gelegt werden. Selbst wenn es hart auf hart käme, stünde Aussage gegen Aussage. Rechtsstaatlich gesprochen heißt dies, da keine eindeutigen Beweise vorliegen: In dubio pro reo – Im Zweifel für den Angeklagten. Es spricht alles dafür, daß Polizei und Staatsanwaltschaft ihre Tätigkeit in Sachen Brandkatastrophe ganz neu aufrollen müssen. Jan Feddersen