Gutes tun, Spaß haben

■ „Lobby-Aktion“: Das Café Blau in Walle soll das erste Restaurant im Norden für Arm und Reich werden

Seit drei Jahren gibt es im Café Blau in der Travemünder Straße für 8 Mark Mittagessen – incl. Dessert und Tasse Kaffee. Diesseits wie jenseits der Theke trifft man psychisch Behinderte, Künstler, Betreuer, die Athmossphäre ist offen und freundlich, die ökonomische Situation schwierig. Dazu kommt, daß unter den Gästen viele sind, die sich 8 Mark immer weniger leisten können. Jetzt möchte das Café Blau in die Offensive gehen. Es soll eine Idee aufgegriffen werden, die schon seit Jahren in verschiedenen deutschen Städten realisiert wird: die Idee des „solidarischen Mittagstisches“.

In Frankfurt, Düsseldorf, Aachen und anderen Städten gibt es sie schon: Gaststätten, die Arm und Reich an den gemeinsamen Mittagstisch laden. Reich zahlt etwas mehr, Arm etwas weniger, allen schmeckt es und man kommt ins Gespräch. Mitleid ist out, Miteinander (oder „Solidarität“) in – weil es Spaß macht. Das jedenfalls versprechen die Organisatoren der „Lobby für Wohnsitzlose und Arme“, einer 1990 in Frankfurt /Main gegründeten „Solidargemeinschaft von besserverdienenden und ärmeren Bürgern“. Schirmherr ist Joschka Fischer, zum Kuratorium gehören Daniel Cohn-Bendit, Kurt Biedenkopf, Volker Hauff, Iring Fetscher, der Kabarettist Matthias Beltz, Mitglieder der Gruppe „Badesalz“ u.a. Lobby kümmert sich neben den Restaurants um Pressearbeit, Arbeitsplatzsuche, ABM-Projekte und Dienstleistung für Arme. Der Verein kann Spendenquittungen ausstellen, er ist nämlich, obwohl ohne Mitleid, als „mildtätig“ anerkannt.

In Düsseldorf zum Beispiel treffen sich zum Essen regelmäßig Arbeitslose, Rentner, Stützebezieher und alleinerziehende Mütter, auch Studenten. Die Reichen kommen eher am Sonntag vorbei. Sie zahlen fürs Essen 8,50 Mark, die Armen 3,50. Heiß diskutiert wird innerhalb der „Lobby“ die Frage, woran man den Armen erkennt.

In Bremen geht das Café Blau von einer Prämisse aus: daß es ein „echtes Bedürfnis für ein soziales Miteinander und für ein gemeinsames Vorgehen gegen die Verelendung und die Entwertung von Menschenleben gibt“. In Bremen soll das billigste Essen vier Mark kosten und von den betuchteren Gästen mit je neun Mark subventioniert werden (ein System, das mittels „Soli- und Leiderleider“-Abo auch von der taz erfolgreich praktiziert wird). Um sich den täglichen Armutstest zu sparen, sollen Pässe ausgegeben werden. In Kürze soll mit 30 Mahlzeiten am Tag gestartet werden. Um über die Anlaufschwierigkeiten zu kommen, braucht es Geld. Das Café Blau wünscht sich Spenden: Kto. 1179159, BLZ 29050101. BuS