Alleinsein satt

Hilfe bei der Suche nach „behaarten Schweißfüßen“: „Date“, die „Zweite Hand“ für Singles  ■ Von Tilman Baumgärtel

Am Zeitungskiosk biegen sich die Regale inzwischen unter Zeitschriften für die obskursten Zielgruppen: für Mountainbikefahrer und Schachspieler, für Commodore-Computerfans und Hobbyangler. Was liegt da näher, als eine Zeitschrift für eine Zielgruppe zu machen, die immer größer wird, wenn man den einschlägigen Trendforschern glauben darf: die Singles. Deshalb gibt es jetzt Date: Das Single-Magazin aus dem Berliner Zweite Hand Verlag.

Vergeßt Focus, die Zweite Hand war wahrscheinlich die erfolgreichste Neugründung auf dem Printmedienmarkt in den letzten fünfzehn Jahren. Das Blatt, das umsonst Kleinanzeigen veröffentlicht, erscheint in den wichtigsten deutschen Großstädten und Ballungsgebieten. Auch Date funktioniert im Grunde nicht viel anders. Zwar wird das Magazin nicht auf Zeitungs-, sondern auf Hochglanzpapier gedruckt; zwar hat die aus einer Redaktionsleiterin bestehende Redaktion versucht, das Blatt „magazinig“ aufzumachen. Aber der Grund, warum Date gekauft wird, sind natürlich die 1.800 Kontaktanzeigen. Nachdem im Frühjahr bereits eine Nullnummer veröffentlicht worden war, soll Date ab Oktober nun monatlich und bundesweit erscheinen.

Den redaktionellen Teil, den die Eine-Frau-Redaktion zusammengestoppelt hat, überblättert man besser: eine Fotostrecke über „Ladykiller“, die offenbar witzig sein soll; eine Wischiwaschi-Reportage über Freud und Leid von Singles, die am Schreibtisch recherchiert wurde; und ein Artikel über „Spielzeuge für Erwachsene, sogenannte Toys“, samt Adressen einiger Berliner Sexshops. Dann gibt's noch die üblichen Ressorts, die hastig mit Text vollgeschlampt wurden. Eine Rezension von „Independence Day“ beginnt mit den Worten: „Die Außerirdischen waren alle Singles. Weil sie sich im All furchtbar einsam fühlten, kamen sie voller Vorfreude auf die Erde geflogen.“ Ulkig, nicht?

Vergessen wir das und wenden uns statt dessen den Kontaktanzeigen zu, dem wohl entscheidenden „Verkaufsargument“ dieses Blattes. Von den 84 Seiten des Blattes sind 31 gefüllt mit (bezahlten) Anzeigen von Singles, die keine mehr sein wollen. Und sie sind alle da, nach geographischen Regionen geordnet: Die „liebevolle Hexe, etwas verrückt, etwas verträumt“; die beiden „unternehmungslustigen Girls, 21, und kein bißchen weise“; der „humorvolle Schütze“, der „trotz einer großen Enttäuschung die Hoffnung nicht aufgegeben hat“; und die „Rubensfrau“, der „junggebliebene Polizeibeamte“, der „34jährige Schmusetyp“ und der „hübsche, schnuckelige Spandauer“. Alle, alle haben sie „das Alleinsein satt“ oder „ein Herz zu verschenken“ und wollen „endlich wieder ,wir‘ sagen“.

Auch die anderen Stammgäste aus dem Kleinanzeigenteil von Stadtzeitungen fehlen nicht: die „tabulos-geile, männliche Zunge“ auf der Suche nach „sehr stark behaarten, muskul. Beinen und breiten (Schweiß-)Füßen“. Der „potente 22jährige“, bei dem „Deine Brüste Lüste“ wecken. Und natürlich auch der „dominante Akademiker“, der „maso-veranlagter Frau“ helfen will, ihre „innere Kraft und Stärke durch Unterwerfung zu finden“. Bei manchen Anzeigen möchte man vermuten, daß sie nicht sehr erfolgreich sein werden: „Gutaussehender 29jähriger... sucht eine Insel mit zwei Bergen.“ Andere sind einfach nur seltsam: „Impotenter Bimann, 57 Jahre ... perverse Neigungen, sucht dauerhafte Beziehung zu netter, hübscher Bifrau ... Wohnung vorhanden.“ Andere machen ratlos: „Beim Sex sollte (ohne GV) sehr vielseitig, ohne Tabus, gelebt werden.“ Sex ohne GV? Habe ich da was verpaßt?

Wem das Talent zum Dichten fehlt, dem hilft die Redaktion mit gutgemeinten, kleinen Tips: „Beim Formulieren einer Anzeige“, heißte es da, „können Sie sehr geschickt einen Hinweis auf ihren Beruf oder Ihr Hobby einbauen: ,Gärtner möchte Liebe säen und Glück ernten‘.“ Bei der Schlußredaktion sind dann aber ein paar Sachen durcheinandergegangen. Ein Foto von einem Jungmann, der auf einem Baumstumpf balanciert, ist zum Beispiel gleich zweimal ins Heft geraten: Einmal firmiert er als Musiker, „gestrandet auf Wolken, Himmeln verfallen“, der „beim Frühstück singen“ will; ein andermal als sportlicher 30jähriger, der gezeigt bekommen möchte, „wie schön NS- und KV-Spielchen sind“. Oops!

„Date: Das Single-Magazin“. 5DM; im Internet: http://www . date.de