Früchte einer Grrrroßmacht

■ Wieder mal: BRD soll in den UNO-Sicherheitsrat

Welche Ehre! Norwegen und Georgien haben sich auf der UNO-Vollversammlung in New York dafür ausgesprochen, daß Deutschland einen ständigen Sitz im Weltsicherheitsrat erhält. Einschließlich Vetorecht! Vielen Dank, Gro Harlem! Wir werden uns erkenntlich zeigen, wenn es um die Nachfolge Butros Ghalis geht.

Die nimmermüde Überzeugungsarbeit von Außenminister Klaus Kinkel, zusammengefaßt in der Erweiterungsformel „zwei plus drei“ (Japan/ Deutschland plus je ein Vertreter Asiens, Afrikas und Lateinamerikas als neue ständige Mitglieder), scheint endlich Früchte zu tragen. Bleibt nur noch ein Problemchen: Auch die anderen Mitglieder der UNO machen sich so ihre Gedanken. Und da wimmelt es von ständigen Mitgliedern mit und ohne Vetorecht, von semiständigen, rotierenden Mitgliedern und von vielen anderen nützlichen Vorschlägen mehr. Da bei Satzungsänderungen Einstimmigkeit des Rates und eine Zweidrittelmehrheit des Plenums vorgeschrieben sind, bedarf es keiner üppigen Phantasie, um vorauszusagen, welches Schicksal Kinkels Lieblingsprojekt beschieden sein wird.

Warum, zum Teufel auch, braucht Deutschland diesen Vetosicherheitssitz? „Das Verlangen der Deutschen“, so Kinkel zu unserer Zeitung im Interview vom 18. Oktober vergangenen Jahres, „hat nichts mit Großmachtanspruch zu tun, sondern wird in der Welt von heute als völlig normal angesehen.“ Seltsame Beweisführung. Natürlich gilt Großmachtstreben „in der Welt von heute“ als normal. Fragt sich nur, ob wir Deutschen uns dieser Normalität anschließen, mehr noch, ob wir von ihr profitieren sollen. Die biedere Kaufmannslogik „Wer zahlt, bestimmt!“ ist jedenfalls wenig geeignet, die weniger zahlungskräftigen Nationen für Deutschlands Erhebung in den Sicherheitsolymp zu begeistern.

Eine wirkliche Reform der UNO müßte ganz woanders ansetzen. Vordringlich geht es doch darum, das Chaos der unterschiedlichen Entwicklungsagenturen zu beseitigen, Weltbank und IWF wieder in die UNO einzubinden und den Vereinten Nationen exekutive Rechte auf dem Gebiet der Weltökonomie zu verschaffen. Auch hier wäre ein Feld für Ruhm und Ehre zu finden – ganz ohne Sicherheitssitz. Christian Semler