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Apartheid auf dem Breitscheidplatz

■ Aktion "saubere Hauptstadt" in der City: Jeden Tag finden Polizeirazzien statt, vor allem gegen Schwarzafrikaner und Araber. Aber auch Junkies und Obdachlose werden systematisch vertrieben. Sozialstadtra

Die von Innensenator Jörg Schönbohm (CDU) propagierte Aktion „saubere Hauptstadt Berlin“ zeigt erste Ergebnisse. Allerdings ist es nicht die BSR, die auf dem Breitscheidplatz den Besen schwingt, sondern die Polizei, und zwar gegen Menschen. Seit dem 21. August finden in der City mehrmals täglich konzertierte Polizeiaktionen statt, meist in den Nachmittags- und frühen Abendstunden. Sie richten sich vor allem gegen Passanten, die aufgrund ihrer schwarzen oder dunklen Hautfarbe automatisch als Dealer, Raubtäter oder Taschendiebe verdächtigt werden. Aber auch Junkies und Obdachlose werden ständig kontrolliert, in Polizeiwannen verfrachtet und am Stadtrand ausgesetzt. Die antirassistische Initiative und der Charlottenburger Sozialstadtrat Udo Maier (SPD) protestierten schon mehrfach heftig dagegen, jedoch ohne Erfolg.

Bestrebungen für einen „sauberen“ Ku'damm gibt es schon länger. Die AG City, eine Vereinigung von Geschäftsleuten, beschäftigt seit mehreren Jahren einen privaten Wachdienst, der eng mit den Polizeibeamten der OG City West kooperiert (die taz berichtete mehrfach). Zunächst ging es darum, Hütchenspieler, Punks und Obdachlose von der sogenannten Nobelmeile zu vertreiben. Nun sind offenbar die Immigranten und Flüchtlinge mit dunkler Hautfarbe an der Reihe. Erleichtert wird den Beamten das Vorgehen dadurch, daß der Breitscheidplatz ein sogenannter „gefährlicher Ort“ ist. Das heißt, Kontrollen können ohne Anfangsverdacht durchgeführt werden.

Die antirassistische Initiative wirft der Polizei vor, am Breitscheidplatz Apartheid auszuüben. Nach Angaben einer Sprecherin liegen der Gruppe inzwischen sieben bis acht Gedächtnisprotokolle von Betroffenen vor – darunter auch das Protokoll des Betreuers eines Flüchtlingswohnheimes, der mit zwei bengalischen Jugendlichen unterwegs war. Nach einer Leibesvisitation wurden die drei fotografiert und dann in „drohendem Ton“ aufgefordert, sich an dem besagten Tag nicht mehr am Breitscheidplatz blicken zu lassen.

Laut antirassistischer Initiative verfährt die Polizei stets nach ähnlichem Muster. Die Beamten steuerten „zielstrebig und ausschließlich“ auf schwarze und arabische Menschen zu, führten „respektlos und teilweise offen rassistisch“ die Personen- und Paßkontrollen durch. Eine Aufklärung über den Grund der Aktion erfolge in der Regel nicht. Immer wieder würden Betroffene wie Schwerverbrecher in Handschelllen gelegt und gewaltsam zur Wanne geschleppt. „In all den uns bekannt gewordenen Fällen wurde nichts gefunden, was derartige Verletzungen der Privatsphäre und Menschenrechte rechtfertigen könnte.“ Doch anstatt sich bei den Opfern zu entschuldigen, würden den Afrikanern und Arabern auch noch Platzverweise unter Androhung von Festnahmen ausgesprochen.

Innensenatssprecher Thomas Raabe bestätigte, daß in der City seit dem 21. August „verstärkt Aktionen“ gegen Personen durchgeführt werden, „die mit Drogen und Waffen handeln und kein Aufenthaltsrecht haben“. Von einem gezielten Vorgehen gegen bestimmte Ethnien sei ihm jedoch nichts bekannt. Die Polizei gehe „streng nach dem Legalitätsprinzip“ vor. Die verstärkten Aktionen seien auf dem Breitscheidplatz wegen der „repräsentativen Lage des Platzes“ erforderlich, sagte Raabe.

Von gezielten Einsätzen gegen Afrikaner und Araber wollte man auch bei der Polizei nichts wissen. „Wir haben kein besonderes Augenmerk auf Menschen schwarzer oder dunkler Hautfarbe“, erklärte der Leiter des für die City zuständigen Polizeiabschnitts 27, Joachim Fischer. Dies sei lediglich im Sommer einige Zeit der Fall gewesen, als sich eine Gruppe von Schwarzafrikanern im nordöstlichen Bereich des Platzes „massiert“ vor Kentucky Fried Chicken aufgehalten habe und dort Angestellte und „Frauen und Mädels“ bedroht und belästigt habe. Seit sich die Polizei jedoch einige Tage „intensiv um diese Herren gekümmert hat“, ließe sich die Gruppe nicht mehr blicken. Der Breitscheidplatz sei ein Kriminalitätsschwerpunkt, deshalb könne es bei den Kontrollen „jeden treffen, auch Schwarzafrikaner“.

Der Charlottenburger Sozialstadtrat Maier verwahrte sich dagegen, daß die City von Süchtigen und Obdachlosen „gereinigt“ werde. Die Menschen seien ständig auf der Flucht und somit für Sozialarbeiter unerreichbar. Plutonia Plarre

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