Aber ... wenn ... dann ...

■ Titelverteidiger Bayern München scheidet trotz 1:0 gegen Valencia aus dem UEFA-Pokal aus, hat aber was dazugelernt

München (taz) – Der Blondschopf plazierte den Ball entschlossen auf dem Kreidepunkt, trat drei Schritte zurück, ohne das Ziel aus den Augen zu verlieren, und verleitete die anwesende Meute in der Erwartung eines strammen Schusses zu freudigem Gejauchze. Doch während sich die Einwohnerzahl einer Kleinstadt zum Jubeln fertigmachte, schubste der junge Mann das runde Leder liebevoll in die Arme seines Gegenübers. Jürgen Klinsmann hätte seine Mannschaft nach 15 Minuten mit 2:0 in Führung bringen können. Hat er aber nicht. Und aus dem angekündigten rauschenden Wies'n-Wunder wurde ein eher trister Hätte-wäre-wenn-Abend.

„Hätte Jürgen Klinsmann den Elfmeter getroffen“, sagte Bayern- Trainer Giovanni Trapattoni, „wäre es möglich gewesen.“ Hätten Basler, Scholl, Ziege oder Strunz nur einen Bruchteil ihrer Chancen genutzt, ebenso. Doch am Ende gewannen die Bayern gegen den FC Valencia 1:0, zuwenig, nachdem sie im Hinspiel wie „eine Schülermannschaft“ (Beckenbauer) agiert hatten und die Spanier sich mit drei Treffern in heimischen Gefilden ein sattes Pölsterchen erspielt hatten.

Dabei hatte der Abend für die Bayern recht vielversprechend begonnen. Nach vier Wochen Verletzungspause konnte endlich auch Mario Basler wieder mitkicken. Und der Einsatz des Gottes der Frechheit bei den Bayern sollte sich rasch bemerkbar machen. Nach 120 Sekunden trat er eine Ecke so geschickt, daß Navarro den Ball nur noch ins eigene Netz köpfeln konnte. Später narrte Basler mit einem Freistoß die komplette spanische Abwehr samt Torwart, allein das Außennetz ließ sich nicht überlisten. So ackerten die Bayern fleißig, aber erfolglos, was Trapattoni letztendlich „ein bißchen enttäuschte“, weil sie „siebzig Minuten gut gespielt haben“. Sein spanischer Kollege dagegen war glücklich. Nur in der ersten Halbzeit hätten sie noch zu viele Konzentrationsschwächen gehabt, „auch der Trainer“.

So blieb nach dem Spiel wenig Angriffsfläche für Kritik und die Erkenntnis, daß man mit „dieser Einstellung das Hinspiel nicht verloren hätte“ (Rummenigge). Einzig die Frage, warum ausgerechnet der formschwache Klinsmann den Elfmeter treten mußte, ließ den Medienvertretern keine Ruhe. Doch Lothar Matthäus beglückte die Zunft gleich mit vier Erklärungsmodellen, warum nicht er, wie vor dem Kick abgesprochen, die Tat vollbracht hatte. Zum einen habe er in den letzten Tagen kaum trainiert, zweitens seit etwa zwei Jahren keinen Elfmeter mehr geschossen, außerdem in Klinsmanns Augen gelesen, daß er schießen will, und viertens hätte sich Klinsmann den Ball einfach geschnappt. Der Stürmer wollte sich wohl, so sieht es auch Kollege Basler, mit aller Macht durch den Elfmeter aus der Krise schießen. Und dann „hat er vorbeigeschossen“, so Basler, „aber das ist ja in letzter Zeit öfter passiert“.

Die einzigen sicheren Tritte gelangen Jürgen Klinsmann jedenfalls nach dem Spiel. Das tropfende Haupt gesenkt, die Lippen fest aufeinandergepreßt, marschierte er an den Journalisten vorbei, ohne den Blick auch nur für Sekundenbruchteile von der rettenden Glastür zu lösen.

Auch Franz Beckenbauer verhielt sich verhältnismäßig still, glaubte, daß sich Klinsmann beim Elfmeter „sicher frisch und gut gefühlt“ hat. „Aber bei so einem wichtigen Spiel muß er drin sein.“ Doch der Kaiser hat sich verändert. In der vergangenen UEFA- Cup-Saison trachtete er seinen Balltretern nach einem 2:1-Sieg gegen Nottingham Forest noch nach dem Leben. „Wenn einer durch Faulheit oder Nachlässigkeit den Erfolg gefährdet, werde ich zum Mörder.“ Die Bayern rannten um ihr Leben und gewannen das Rückspiel in Nottingham 5:1. Diesmal stellte Franz Beckenbauer seinem Wohlstandsensemble ein zusätzliches Taschengeld von 100.000 Mark in Aussicht, falls sie die 0:3-Schlappe noch wettmachen. Das Ergebnis ist bekannt.

Einer jedenfalls hat dann doch noch etwas gewonnen. „Wir haben heute eine ...“, begann Giovanni Trapattoni nach dem Spiel und blickte so lange hilfesuchend umher, bis ihm ein Nachbar das fehlende Wort einhauchte. Richtig, „wir haben eine Lektion gelernt“. Wieder ein neues Wort gelernt und im Büchlein notiert. Hoffentlich muß er es in naher Zukunft nicht allzu häufig anwenden. Denn dann könnte es selbst für ihn in München wieder ungemütlich werden. Nina Klöckner

FC Valencia: Zubizarreta - Engonga - Mendieta, Navarro, Ferreira, Romero (40. Sietes) - Fernando, Karpin, Poyatos, Moya (69. Ignacio) - Lopez (53. Vlaovic)

Schiedsrichter: Lewnikow (Rußland)

Zuschauer: 44.000

Tor: 1:0 Navarro (3./Eigentor)

FC Bayern München: Kahn - Babbel (65. Hamann), Matthäus, Kuffour, Ziege - Basler (65. Witeczek), Strunz, Nerlinger, Scholl - Klinsmann, Rizzitelli (85. Kreuzer)