Tumulte beim Lübecker Brandprozeß

Der Vater des Angeklagten Safwan Eid beschimpfte die Nebenklägerfamilie El Omari. Vorher wies das Gericht den Antrag der Verteidigung auf Freispruch des Angeklagten ab  ■ Aus Lübeck Jan Feddersen

Schon vor der Mittagspause verständigten sich Staatsanwalt und Verteidigung beim Lübecker Brandprozeß darauf, das Verfahren am Montag fortzusetzen. Der Anlaß: Während der Anhörung des Zeugen Matthias Hamann war Jean-Claude Makudila auf seiten der Nebenkläger mit einem Kreislaufkollaps zusammengebrochen.

Während Makudilla, der beim Brand in der Lübecker Hafenstraße seine Frau und seine fünf Kinder verlor, unter anderem von Hamann versorgt wurde, eskalierte das Prozeßgeschehen nur drei Meter entfernt: Ein Sohn der Familie El-Omari, der am 18. Januar selbst verletzt wurde und seinen 17jährigen Bruder Rabia verlor, drehte sich plötzlich in Richtung der Zuschauerbänke zu Mahwan Eid, dem Vater des Angeklagten Safwan Eid, um. Der habe ihn gerade als „Hund“ bezeichnet und „Konsequenzen“ für die Zeit nach dem Prozeß angekündigt. Gabriele Heinecke wies namens der Familie Eid diese Version zurück und erklärte, daß Mahwan Eid von einem Mitglied der El-Omaris bespuckt worden sei und daraufhin den Schmähruf formuliert habe: „Du Hund, was spuckst du mich an, ich bin so alt wie dein Vater.“

Makudillas Anwalt, Wolfgang Clausen aus Heikendorf, wies diese Geschichte zurück: „Es wurde nicht gespuckt, kein Zeuge hat das gesehen.“ Die 18jährige Sehamm El-Omari rief in den Gerichtssaal, daß sie nur „die Wahrheit wissen“ wolle und ihre Familie nicht feindlich den Eids gegenüber eingestellt sei: „Wir haben unseren Bruder verloren und wollen jetzt wissen, wie es dazu kam.“

Bereits am Morgen hat das Verfahren nervös begonnen. Ehe Hamann, der Staatsanwaltschaft zweitwichtigster Zeuge, aussagen konnte, beantragten Heinecke und Klawitter, Safwan Eid freizusprechen, weil Jens L., der Hauptbelastungszeuge, sich am Montag eklatant in Widersprüche verstrickt habe. „Die Aufklärung ist endlich in einem Verfahren gegen diejenigen – mit Safwan Eid als Nebenkläger – zu leisten, gegen die ein dringender Tatverdacht besteht“ – gemeint waren die vier Grevesmühlener Jugendlichen.

Am Ende beantragte der Lübecker Anwalt Haage, Nebenklagevertreter des Brandüberlebenden Joao Bunga, den Brandgutachter Ernst Achilles wegen Befangenheit aus dem Verfahren zu entlassen. Achilles habe vor der Bestellung durch das Gericht für die Verteidigung gearbeitet – eine Neutralität mithin nicht mehr gewährleistet. Gabriele Heinecke sagte am Ende gestern in Lübeck: „Der Streit darf nicht hochgespielt werden. Er zeigt nur, wie auch der Zusammenbruch Makudilas, wie sehr bei allen Betroffenen die Nerven blank liegen.“

Völlig untergegangen im Tumult war allerdings eine entscheidende Passage in der Zeugenaussage Matthias Hamanns: Er beteuerte, daß er die Geschichte von Jens L. bereits am Ereignisort, am brennenden Haus, gehört haben will. Ein krasser Widerspruch: L. hatte ausgesagt, Safwan Eid erst im Bus auf dem Weg ins Krankenhaus am Priwall gesehen zu haben.