Jazz als Stileintopf

■ Das Dewey Redman Quartet spielte im KITO / Viel Fades, wenig Überraschung

Scheinbar hat der Saxophonist Dewey Redman schwer daran zu schlucken, daß sein Sohn Joshua am gleichen Instrument in kürzester Zeit zum gefeierten Jungstar wurde. Warum sonst versuchte der Vater bei seinem Auftritt am Dienstag im KITO so angestrengt zu beweisen, wie vielseitig und publikumswirksam auch er spielen kann? Es war schon manchmal peinlich, wenn der Jazzer (der mit seinem energiegeladenen, intensiven und oft kantigen Spiel mit Keith Jarrett, Ornette Coleman und Carla Bley bekannt wurde) hier versuchte, schön knallig, bunt und konventionell zu klingen. Bei seinen ersten drei Stücken – zwei Balladen und einer schnelleren Hard-Bop Komposition – spielte er etwa in einem neo-klassischen Stil, der sehr dem ähnelte, was sein Sohn vor einiger Zeit auf derselben Bühne vorstellte. Damals schien es noch, als würde der Sohn viel konservativer klingen als der Vater. Aber jetzt zeigt Dewey Redman, daß auch er, statt wie früher möglichst kompromißlos und avantgardistisch zu spielen, lieber postmodern Stile zitiert. So bog er in einem unbegleiteten Solo schon nach kurzer Zeit vom Freejazz in den bekannten Gassenhauer aus der Oper „Carmen“ ab und animierte das Publikum zum Mitsingen. Oder er und seine Band spielten reinen Souljazz im Stil von Horace Silver – mit funkigen Pianoläufen und viel Sex im Saxophon, der allerdings bei Redman nicht halb so attraktiv funkelte wie bei den Spezialisten auf diesem Gebiet. Auch hier sollte das Publikum wieder brav mitklatschen, und schon vorher hatte Redman sich eine Frau aus dem Publikum geschnappt und mit ihr einige Takte lang Walzer getanzt. Bei all diesen Anbiederungsversuchen wurde der Verdacht immer stärker, Redman mache sich insgeheim über das Publikum lustig.

Wirklich tief ging er nur ganz selten in seinen Solis, und so wirkte sein Jazzeintopf oft halbgar und etwas fade. Auch ein durch afrikanische Volksmusik inspiriertes Stück, bei dem Redman auf der Musette (einem nasal klingenden Holzblasinstrument aus Nordafrika) spielte, überzeugte nicht. Redman schien technische Schwierigkeiten mit dem Instrument zu haben, und Musiker wie Charles Lloyd oder Charly Mariano spielen darauf einfach viel besser.

Die drei jungen und weißen Musiker seiner Band Rita Marcotulli (Piano), Cameron Brown (Baß) und Leon Perler (Schlagzeug) spielten viel befreiter und aufregender zusammen, wenn Redman sich auf den Stuhl neben der Bühne zurückgezogen hatte. Ihn begleiteten sie kompetent, aber eben auch sehr vorsichtig und ehrfürchtig. Vielleicht braucht Redman einen starken Gegenpol in der Band (wie es früher Jarrett, Coleman oder Pat Metheny waren), um wirklich gut zu spielen.

Fast alles an diesem Abend hatte man schon so ähnlich, und meist besser, gehört. Doch fast zum Schluß des Konzerts gab es dann doch noch eine Überraschung. Bei einer sehr seltsamen Komposition spielten Baß und Piano zusammen ein schleppendes, schwermütiges Ostinato, und Redman attackierte es immer wieder, unterstützt vom Schlagzeuger, mit schnellen, nervösen Aufschreien. Dieser Kampf zwischen zwei verschiedenen Stimmungen und Sounds wurde dynamisch geschickt dramatisiert: Mal wurde die eine Gruppe lauter, und die andere verstummte fast völlig, dann zogen sich die scheinbar Siegreichen wieder zurück, und ihre Gegenspieler waren für einige Takte ohne den irritierenden Kontrapunkt zu hören. Nur dieses eine Stück klang wirklich spannend und originell. Es gab eine Ahnung davon, wie gut das Konzert hätte werden können, wenn sich Redman nicht so verzettelt hätte.

Willy Taub