„Tumulte“ in den Metall-Betrieben

■ Bei Daimler könnte am Samstag die Sonderschicht ausfallen

Seit Dienstag vormittag reden bei Daimler Benz Betriebsräte und Firmenleitung nicht mehr miteinander. „Es gibt Tumult in allen Werken“, sagt der stellvertretende Bremer Betriebsratsvor-sitzende Uwe Werner. Insbesondere am Samstag, wenn 4.000 Arbeiter zur Sonderschicht anrücken sollen, rechnet der Betriebsrat mit Unregelmäßigkeiten. „Jeder Arbeitnehmer entscheidet, ob er nach der Provokation der Firmenleitung seine Arbeitskraft anbietet...“, formuliert der Betriebsrat die Lage. Es sei ganz klar eine „Aushebelung des Tarifrechts“, in dem in § 12 die Lohnfortzahlung „nach dem Gesetz von 1969“ geregelt sei. Und das sah 100 Prozent für die ersten sechs Wochen vor.

„Die Rechtslage ist eindeutig“, sagt dagegen Ortwin Baum, Geschäftsführer der Metall-Industrie. Einstimmig hat sich die Metall-Versammlung am Mittwoch dafür entschieden, die neue gesetzliche Regelung ab 1. Oktober anzuwenden und nur noch 80 Prozent zu zahlen. Baum weist den Vorwurf des Tarifbruchs zurück: Das Bundesarbeitsgericht habe eindeutig geklärt, daß in den Fällen, in denen Tarifverträge nur „deklaratorisch“ auf gesetzliche Regelungen verweisen, die aktuelle Gesetzeslage gilt.

Dies wiederum sieht die IG Metall als „neue Stufe der Eskalation“. So werden die Arbeitsgerichte demnächst viel zu tun bekommen: „Wir werden unsere Mitglieder unterstützen, wenn sie gegen die Lohnkürzung vor das Arbeitsgericht ziehen“, meinte IG Metall-Specherin Inge Lies-Bohlmann. Nicht nur bei Daimler, wo heute ein „ungewöhnliches Flugblatt über den Alptraum eines Arbeitnehmers“ verteilt wird, auch in den anderen betroffenen Betrieben (Siemens, STN, Lürssen etc.) werde es erhebliche Unruhe geben.

Für den Unternehmensverband ist die Sache klar: Bis zu einem Prozent der Lohnsumme lasse sich sparen, wenn die Lohnfortzahlung reduziert wird. In Schweden sei der Krankenstand deutlich gesunken, nachdem eine Karenztage-Regelung eingeführt worden ist, weiß Baum. Montag und Freitag sind in allen Betrieben mit großem Abstand die beliebtesten Krankheitstage – „darüber kann man nur staunen“.

Der Bremer Einzelhandel hat sich dagegen gerade im Tarifvertrag auf die volle Lohnfortzahlung verständigt – „auf massiven Druck der Gewerkschaften“, weiß Karstadt-Chef Günter Kirsch. Es gebe also keine Entlastung bei den Kosten. Aber die Einzelhändler wollten die Zustimmung der Gewerkschaften zu den neuen Ladenöffnungszeiten erreichen, da mußten sie bei den Lohnfortzahlungen nachgeben. Bis 1997 gilt der Tarifvertrag. K.W.