■ Vorschlag: Tanzszenen: Hängen und Würgen mit Xavier Le Roy und anderen
Er braucht nur dazustehen mit seinem geölten Haar und seinen Ellenbogen einen leichten Knick nach innen zu geben: Schon sieht er aus wie eine furchtbar lächerliche, traurige und sehr einsame Gestalt. Wie einer, dem nie etwas geglückt ist, der aber immer aufsteht, wenn der Wecker klingelt. Ein wenig sieht der französische Tänzer und Choreograph Xavier Le Roy in den beiden kurzen Soli „Things I hate to admit“ und „Zonder fact“ aus wie der Mann aus meinem Hinterhaus, der abgeschabte und zu kurze Hosen mit zu weitem Schlag trägt.
Kleine Verschiebungen und Isolierungen einzelner Körperteile sind es, mit denen der enorm schlaksige Le Roy den Körper eines zu engen, spießigen Lebens entwirft. Weil er seine Arme und Beine wie Dinge behandelt, bekommen die Dinge selbst ein merkwürdiges Eigenleben. Und wenn er sich in einem der beiden so akkurat gerade, in so genau bemessenen Abstand zueinander stehenden Sessel niederläßt, dann weiß man: Früher hat in dem anderen Sessel eine Frau gesessen, aber auch schon damals haben beide unentwegt geradeaus geguckt. Jetzt, wo sie nicht mehr da ist, ist man einfach noch ein bißchen einsamer als zuvor. Zur Kunst von Xavier Le Roy, der Molekularbiologie studierte und über die Krebsforschung promovierte und ein wenig an Karl Valentin erinnert, gehört, daß man sich selbst unentwegt Geschichten erzählt.
Xavier Le Roy zeigt seine beiden Soli im Doppelprogramm mit „Private Thoughts – Public Places“, einem Stück, das Alex B & Norbert Kliesch gemeinsam choreographierten und auch gemeinsam tanzen. Um Fremdheit geht es, wie in wohl allen Stücken von Alex B, die ihre eigene Kompanie die „Perfect Strangers dance company“ nannte. Fremdheit ist bei Alex B immer erotisch aufgeladen, unglaublich nah können sich ihre Figuren kommen und schon im nächsten Moment nichts mehr voneinander wissen. Nah kommen sich manchmal auch Alex B und Norbert Kliesch. Aber nichts Überraschendes, nichts wirklich Unvorhersehbares passiert. Wie zwei sich im gleichen Raum befindliche Menschen mit dieser räumlichen Nähe fertig werden – für wenige, zu wenige, kurze Momente wird dies zu einer drängenden, plastisch vorgeführten Frage. Michaela Schlagenwerth
27. bis 29.9., 20.30 Uhr, Tanzfabrik, Möckernstraße 68
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