Geschlagene Schönheit

Dialektik von Faszination und Begierde oder das Stochern im Ungefähren: Die Gruppenausstellung „The Aggression of Beauty“ in der Galerie Arndt & Partner verspricht mehr, als sie hält  ■ Von Thorsten Pannen

Das Thema Schönheit und Gewalt ist ein weites Feld. Jedenfalls läßt es sich bequem auf die Weiten der abendländischen Kultur beziehen. Schon auf dem Weg zur Galerie – egal, welchen man nimmt – wird man denn auch entsprechend eingestimmt. Die frivole Salome präsentiert dem abgeschlagenen Täuferhaupt ihre schönen Brüste und wirbt so allerorten für die Lovis-Corinth-Retrospektive auf der nahen Museumsinsel.

Die Dialektik von ersehnter Schönheit und der Aggression, um sie tatsächlich zu erreichen oder nur zu ertragen, kennt viele Nuancen. Entweder man braucht die Gewalt, um Schönheit zu realisieren – oder die Anwesenheit von Schönheit selbst wird als Bedrohung empfunden und motiviert so die Gewalt. Zwischen Erhabenheit und Habenwollen, zwischen Faszination und Begierde bewegt sich das, was als schön bezeichnet wird – selbst eine unbestimmte Zuschreibung zwischen Ideologie und privatem Wunschbild.

So ist auch die Auswahl von Arbeiten, die in der Galerie Arndt & Partner präsentiert werden, entsprechend vielseitig; so vielseitig, daß der Charakter einer „themenbezogenen Gruppenausstellung“ von insgesamt elf internationalen KünstlerInnen nur sehr schwerlich zu erkennen ist.

Gleich im Eingangsbereich findet sich eine Vitrine Paul-Armand Gettes, in ihr ein rosa Negligé und ein weißer Slip, aufgeklebt auf grünen Kunstrasen und mit einer Buchstabentafel versehen. Die Mischung aus musealer und kriminalistischer Präsentation verbindet dabei den Reiz der Wäsche mit der Ahnung eines Sexualverbrechens. Eine ähnlich ambivalente Gestaltung findet sich in der Wandzeichnung des US-Amerikaners Douglas Kolk, die pastellene Darstellung eines Kindergesichts, das durch tiefblaue Flecken an Auge und Mund entstellt wird.

Die vermeintlichen Objekte der Schönheit werden in einen spezifischen Kontext von Gewalt gesetzt oder lassen Gewalt erahnen. So ist Johannes Kahrs mit dem Porträt einer Asiatin vertreten, eine lachende „Schönheit“ im Rotlicht, gerahmt von einem männlichen Arm. Von Ugo Rondinone werden einige Dutzend „Installationsfotografien“ gezeigt, bekannte Posen erotischer Stars, in die er qua Computer sein eigenes Gesicht integrierte.

Fabrice Hybert schuf mit rotem Lippenstift eine zwei Meter hohe Farbtafel, die man bei Kenntnis des Materials stets küssen will, von Yan Pei-Ming ist ein großformatiges Mao-Porträt als aggressive Verzerrung totalitärer Plakatästhetik ausgestellt.

Tracey Emin, Gillian Wearing und Paul McCarthy steuerten eher „private Arbeiten“ bei, eine Reihe von Monotypien mit sexuellen Motiven, eine Fotoserie über die Konfrontation von garstiger Mutter und schöner Tochter und ein groteskes Video über McCarthy, der sich bei einer Performance verstümmelt, während er doch bloß nach Schönheit und Inspiration sucht. Zuletzt kann man sich an einem „Engeldetektor“ von Jakob Gautel und Jason Karaindros erfreuen, der einen Moment der Ruhe mit einem Aufleuchten quittiert.

Was in dem kleinen der beiden Ausstellungsräume gelingt, die thematische Konzentration durch die Werke, wird mit der Präsentation der übrigen Arbeiten vertan. Das Thema fungiert bloß noch als ungefährer Rahmen. Und um den auszufüllen, brauchte man mehr künstlerische Positionen. Eine kleine Galerie hingegen bräuchte hier die Beschränkung.

Bis 20.10, Hackesche Höfe, Rosenthaler Straße 40/41