Durchs Dröhnland
: Gitarren kurz vorm Herzinfarkt

■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

Bürgerlich heißt der Mann Thomas Erb und war einmal Kulturredakteur einer Züricher Zeitung. Doch hier und heute heißt er Hank Shizzoe. Zum einen in Anlehnung an den großen Hank Williams, zum anderen wegen der zwei Identitäten. Schon „immer sehr gut geklaut“ hat der Herr Erb, und so hört es sich auch an, wenn er die Töne aus der Gitarre, wie man so sagt, perlen läßt. Wenn man es nicht wüßte, hören würde man es nicht, daß hier ein Schweizer am Werke ist. Denn zwischen dem Country seines Namensvetters und den hingetupften Gitarrenlicks seines Vorbildes Mark Knopfler findet Shizzoe in der perfekten Kopie zu immerhin bedingter Eigenständigkeit.

27.9., 22 Uhr, Franz, Schönhauser Allee 36-39

Aus Berlin kommen die fünf von Wohnung, was ein hübscher Name ist, denke ich. Man benutzt die deutsche Sprache, hat einen Sänger, der eher wie ein Märchenonkel erzählt, als daß er singt, und läßt – wenn ich mich nicht verhört habe – ein Xylophon mittun. Das hat sauberen, ja fast herzigen Popappeal, kann sich aber dann doch die Kunstapplikation nicht verkneifen.

27.9., 23 Uhr, Eimer, Rosenthaler Straße 68

Es gibt da ein Mißverständnis: Das Publikum findet Britannia Theatre wahlweise lustig oder lächerlich. Britannia Theatre finden sich selbst gar nicht lustig und lächerlich schon gleich gar nicht. Doch diese Diskrepanz sollte niemanden stören, solange das Sextett aus Pankow weiterhin nicht halt vor Genregrenzen macht, um dann doch immer nur unendliche Traurigkeit auszudrücken. Gefeiert wird die Veröffentlichung des Soundtracks ihres Films „Red Traffic Lights“.

28.9., 21 Uhr, Huxleys Junior, Hasenheide 108

Karrieren im Ska können lange dauern. Sheep's E Band sollen bereits seit 18 Jahren existieren, auch wenn sie es in der Zeit nur auf zwei Platten und vor allem lokale Berühmtheit in Schleswig- Holstein brachten. Unsere Freunde aus dem Norden sind Vertreter der klassischen Two-Tone-Philosophie: Das heißt Filzhütchen, Schwarzweißkaros, saftige Bläser und immer schön geradeaus die Waden schütteln.

28.9., 21.30 Uhr, Schoko-Laden, Ackerstraße 169/170

Ro-Cee kommt „Straight outa' Persia“, wie er rappt, lebt jetzt in Schweden, und dort schoß seine erste Single „Gettin All the Babes“ hurtig auf Platz eins der Dance-Charts. Dabei ist das Ding, wie schon der Titel verrät, kaum mehr als die Karikatur von G- Funk. Langweiliges Gerappe, ein knallender Rhythmus, zu dem man sich unweigerlich Tausende fröhlicher, sauberer Menschen vorstellt, die freudig in die Hände klatschen. Seine LP beginnt mit einer Warnung, daß hier jetzt gleich all die bösen Worte kommen, und was folgt, ist HipHop vom Reißbrett. Über Captain Jack meint seine Plattenfirma, er sei „die erste musikalische Attacke zum Military-Trend“. Wat für'n Trend? Auch egal, Captain Jack ist einfach konsequent und denkt das Militärische in vielen Technorhythmen zu Ende. Dazu grölt der Mann dann Drill-Kommandos wie aus „Full Metal Jacket“, und der Unterschied zum Mainstreamtechno aus dem Radio ist eigentlich nicht vorhanden. Das ist zwar nicht nur doof, sondern auch ziemlich widerlich, aber wenigstens nicht so verlogen wie DJ Bobo und Konsorten. Die Raving Society sollte sich langsam mal genauer betrachten, von wem sie sich da so beschallen läßt. Mit dabei beim „Megadance Festival“ sind auch Masterboy, Mr. President, Tempest, Centory, dem gerade die Milli-Vanilli-Coverversion „Girl You Know It's True“ ganz hübsch gelungen ist, und Noble Savages, das Projekt von Viva-Moderatorin Shirin Valentine und ihrem Bruder Cyrus.

28.9., 18 Uhr, Arena, Eichenstraße 4

Gigantor wissen, wie man eine Gitarre zum Herzinfarkt treibt. Ja, das wissen sie ganz bestimmt. Ein paar Melodien können sie auch, damit hat es sich dann leider. Was aber nichts bedeuten muß, denn das aktuelle Punkrock-Revival hat vorgeführt, daß man kaum mehr benötigt, um sich ein Auskommen zu sichern. Und das sei den fünfen aus Hannover auch ehrlich gegönnt.

28.9., 21 Uhr, Trash, Oranienstraße 40/41

Unser wöchentlicher Wanderpreis für das unvermeidlichste Comeback der Woche geht diesmal an Carl McCoy. Der hat früher eine Menge Mehl verbraucht, um seine Mäntel einzustauben, und sonst gerne böse ins Publikum geguckt. Seine Band hieß Fields of the Nephilim und machte dazu einen niedlichen Gitarrenrock, der dann Gothic hieß. Vor vier Jahren trennte man sich, und seitdem wartete die Gemeinde sehnsüchtig auf ein Lebenszeichen. Nun hat man den Salat, denn McCoy hat sich vom gepflegten Morricone früherer Tage verabschiedet und liefert als Nefilim ein Geboller ohnegleichen ab, das locker die stumpfesten Momente aus aktuellem Industrial und Doom-Metal auf einen kleinen Nenner bringt. Interessieren tut da eigentlich nur noch, warum der Mann mit dem Wechsel von „ph“ auf „f“ die Rechtschreibreform vorweggenommen hat.

29.9., 20.30 Uhr, Loft, Nollendorfplatz

In Amerika hat es Guru von Gang Starr vorgemacht: Der holte sich für sein Jazzmatazz- Projekt einige der besten Jazzmusiker und machte zusammen mit ihnen klar, wo einige der wichtigsten HipHop-Einflüsse zu Hause sind. Die deutsche Antwort heißt Jazzkantine, organisiert von dem Produzenten Ole Sander, dem Manager Matthias Lanzer und dem Bassisten Christian Eitner. Die drei schafften es tatsächlich, insgesamt fast 100 Beteiligte zu einem Gruppensound zu verschmelzen, der cooler nicht mehr vorstellbar ist. Es vibraphont, basst, trommelt, bläst, gitarrt und scratcht, aber trotzdem scheint kein Ton zuviel zu sein. Manchmal möglicherweise etwas zu geschmäcklerisch, aber die Rapper bringen allzu fusselige Jazzer meist wieder zurück auf den Boden. Live muß die Besetzung verkleinert werden, zu zwölft ist man aber immer noch recht stattlich. Die Raps übernehmen dann Aleksey und Cappuccino aus Braunschweig, sowie Tachi von der Fresh Familee.

29.9., 20 Uhr, Lindenpark, Stahnsdorferstraße 76-78, Potsdam; 30.9., 20 Uhr, Huxleys Neue Welt

Weggekommen vom Crossover sind Trieb. Die Bielefelder zitieren nur noch selten aus dem HipHop und beschränken sich weitgehend auf einen knorke Stampfe-Rock, der dem 70er- Vorwurf nur mit knapper Not und Elektronik entgeht.

1.10., 21 Uhr, Knaack, Greifswalder Straße 224

Einen flotten kleinen Wave- Rock spielen State of Emergency. Über stahlkalten Gitarren empfiehlt der Sänger der Rostocker in polizeisirenenmäßigem Tonfall, doch nun endlich die letzte Pille zu nehmen, die ganze Scheiße sei ja nicht mehr auszuhalten.

2.10., 22 Uhr, Tacheles, Oranienburger Straße 53-56 Thomas Winkler