Verkäufer sollen für Morde büßen

■ Innenstaatssekretär gegen Amnestie von Bagatellstraftätern

Nicht nur der Opposition, auch dem SPD-Abgeordneten Eckhardt Barthel verschlug es in der Sitzung des Ausländerausschusses am Mittwoch im Abgeordnetenhaus die Sprache: Innenstaatssekretär Kuno Böse hatte verkündet, daß die Ermächtigung von Innenminister Manfred Kanther, Bagatellstraftäter unter den ehemaligen Vertragsarbeitern zu begnadigen, in Berlin nicht umgesetzt würde.

Das genaue Gegenteil freilich sollte der Fall sein: Das Parlament hatte bereits 1994 eine noch weiter gehende Amnestieregelung für Bagatellstraftäter beschlossen. Die hat das Verwaltungsgericht kassiert, weil sie dem Bundesrecht widersprach. „Jetzt ließe das Bundesrecht unseren Vorschlag zu“, so Barthel. Nach Ansicht des SPD- Abgeordneten verstößt Böses Äußerung gegen Koalitionsvereinbarungen.

Besonders ärgerlich, so Barthel weiter, sei die Begründung des Staatssekretärs. Nach Ansicht von Böse würde von einer Begnadigung auch solcher Straftäter, die seit Jahren straffrei sind, ein falsches Signal an die „Zigarettenmafia“ ausgehen. Barthel bezeichnete dies als „Sippenhaft“. Karin Hopfmann (PDS) forderte mit einem Dringlichkeitsantrag die Umsetzung der Ermächtigung von Innenminister Kanther ein. Barthel ist zuversichtlich, daß es „bald eine Lösung gibt“.

Davon geht auch die Ausländerbeauftragte Barbara John (CDU) aus. Sie verwies darauf, daß 1993 die mit der „Zigarettenmafia“ einhergehende Begleitkriminalität noch nicht das heutige Ausmaß angenommen hatte. Es sei unverhältnismäßig, die Verkäufer von damals für die Morde von heute verantwortlich zu machen. Die von der Amnestieregelung Betroffenen seien heute integriert. „Nicht zuletzt verursachen die Ausweisungen dem Land Berlin hohe Kosten“, so John weiter. Denn wer ausgewiesen wird, lebt von der Sozialhilfe, solange Vietnam die Einreise verzögert und solange die Klagen laufen. Marina Mai