Weltbank gehen die Staatsgelder aus

■ Die Industrieländer investieren ihre Millionen lieber direkt in den Schwellenländern, als soziale Projekte zu unterstützen

Bonn (taz) – Die rasant wachsenden Schwellenländer eilen den ärmsten Staaten der Erde wirtschaftlich davon. In ihnen investierten die Industrienationen im vergangenen Jahr das meiste private Geld: Die Direktinvestitionen kletterten auf den Höchststand von 170 Milliarden US-Dollar. Sie verteilten sich auf nur zwölf Länder, hauptsächlich in Ostasien. Die staatliche Entwicklungshilfe ist dagegen mit 59 Milliarden Dollar auf den niedrigsten Stand seit 23 Jahren zurückgegangen. Dies geht aus dem Jahresbericht der Weltbank und ihrer Schwesterorganisation IDA (International Development Association) hervor, der gestern veröffentlicht wurde.

Die schlechte Zahlungsmoral der Staaten bekommt IDA besonders zu spüren. So haben die USA überhaupt kein Geld für die nächsten zwei Jahre zugesagt. Die anderen Geberländer wollen immerhin die Hälfte ihrer Beiträge zahlen. Weltbank-Präsident James Wolfensohn hofft noch, daß der amerikanische Kongreß nach den Präsidentschaftswahlen seine Meinung ändert. „Wir halten den Amerikanern die Tür offen“, sagt Claudia von Monbart vom Europäischen Weltbankbüro in Paris. Doch hat man sich dort schon auf den Fall vorbereitet, daß die Gelder aus Washington ausbleiben. Die fehlenden elf Milliarden Dollar wurden teils aus Eigenmitteln, teil aus Nachzahlungen überfälliger Beiträge aufgebracht. Die Weltbank selbst hat im vergangenen Geschäftsjahr mit 1,2 Milliarden Dollar rund 100 Millionen Dollar weniger Gewinn gemacht, als im Jahr zuvor. Und das, obwohl sie 12 Prozent Verwaltungsausgaben eingespart hat.

1995 und 1996 haben Weltbank und IDA Kredite in Höhe von 22,5 Milliarden Dollar zugesagt, das sind eine Milliarde mehr als im Jahr zuvor. Davon wurden nur 2,3 Milliarden Dollar für gesellschaftliche und soziale Projekte verwendet. „Humankapitalbildung“ heißt das im Jargon der Weltbank. Zu diesem Posten kommen noch 800 Millionen Dollar für Kredite zum Aufbau sozialer Sicherungssysteme. Kredite für Umweltschutzvorhaben machten mit 1,6 Milliarden US-Dollar nur sieben Prozent des Kreditvolumens aus.

Sonderinvestitionen tätigt die Weltbank momentan in den internationalen Krisenherden: 150 Millionen Dollar fließen nach Bosnien, die Palästinenser bekommen 90 Millionen Dollar Soforthilfe und 60 Millionen Darlehen. 900 Millionen Dollar gibt die Weltbank jährlich für die Erziehung und Bildung von Mädchen aus. Denn von den 130 Millionen Kindern, die weltweit keine Schule besuchen können, sind die meisten Mädchen.

Ein neuer Schwerpunkt in der Weltbankarbeit ist die Entschuldung von zunächst acht besonders armen und hochverschuldeten Ländern (SILICs). Die Organisation will die bilateralen und multilateralen Gläubiger an einen Tisch bringen, um Teilerlasse von Schulden zu erwirken. Neu in der Arbeit der Organisation – und wie der Einstieg in die Verschuldungsdebatte eine Idee von Weltbankpräsident James Wolfensohn – ist die aktive Arbeit gegen Korruption. Hier arbeitet die Weltbank unter anderem mit der Berliner Arbeitsgruppe „Transparency International“ zusammen. Die hatte ein ehemaliger Weltbankdirektor einst ins Leben gerufen. Uwe Kerkow