Gewürzspiralen in Billbrook

Wenn Jugendliche zum Spaten greifen: Eine Schule in Hamburgs Osten hat ihren Pausenhof begrünt  ■ Von Ingo Böttcher und Ulrike Winkelmann

Was er machen würde, wenn jemand den Garten kaputtmachte? Kanishka zögert, „würde erst den Lehrer suchen“, und wenn der nicht zu finden wäre ... Was dann kommt, klingt nicht nett. Schließlich haben Kanishka, Jenny und die anderen Kinder der Schule Billbrookdeich alle daran mitgewirkt, daß ihr Schulhof jetzt eine ökologisch hundertprozentige Oase ist.

Im August lud die Grund- und Hauptschule Billbrookdeich zu Reden, Sekt, Saft und Häppchen ein: Der innere Pausenhof war in einem gemeinschaftlichen Kraftakt von SchülerInnen und LehrerInnen neu und grün gestaltet worden und wurde nunmehr eröffnet. Seitdem, berichtet Schulleiter Ingolf Claaßen, „sind wir zu einem Wallfahrtsort geworden.“ SchulleiterInnen, LehrerInnen und ganze Kollegien kämen vorbei und schauten sich den ökologisierten Pausenhof an.

Das Konzept zum Öko-Schulhof wurde von den Kinder- und Umweltinitiativen KIWI e.V. in Kiel und dem Berufsfortbildungswerk des DGB erarbeitet; 4000 Mark zahlte der Ortsausschuß Billstedt dafür. Für Sachspenden und weitere Investitionen in Grünzeug wärmte Schulleiter Ingolf Claaßen Sponsoren aus dem Stadtteil an: den Gabelstapler-Hersteller Still etwa, oder den Recycling-Betrieb Sanne, Kruse und Pape.

Eine Woche waren 350 SchülerInnen in zwei Schichten am Werk, dazu das Kollegium, Eltern und nicht zuletzt die KIWI-Landschaftsplaner. Die Schule im „sozialen Brennpunkt“ Billbrook ist die erste Schule in Hamburg, die von KIWI und dem Berufsfortbildungswerk begrünt wurde. Sonst, berichtet KIWI-Sprecher Ingo Wiegand, gestalte der Verein vor allem Kindergärten in Schleswig-Holstein und Hamburg.

Bei Planung und Umsetzung werden die Kinder laut Wiegand „weitestmöglich“ einbezogen. „Skeptiker haben uns gesagt, daß so ein Projekt in Billbrook keine Chance hat.“ Schließlich bekämen nicht zuletzt auch die LehrerInnen der Schule das ganz alltägliche Ausmaß an mutwilliger Zerstörung im Problemviertel mit. Das Schulhof-Projekt jedoch „hat verdeutlicht, daß so etwas klappen kann, sobald die Jugendlichen ernstgenommen werden.“

Keine einzige Maschine wurde auf dem Schulhof und dem angrenzenden Hort- und Kindergartengelände eingesetzt. In Teams hatten mehrere Klassen an je einem Pausenhof-Projekt gearbeitet: die einen an der Gewürzspirale, die anderen am Duftgarten oder am „grünen Klassenzimmer“, das kreisrund und von einem kleinen Wall umgeben ist.

Zu Beginn der Umgestaltungs-Woche im Juni, erzählt Aron Jam-shidin aus der H9, sah der Hof aus wie eine Mondlandschaft: Baufirmen hatten jede Menge Sand, Erde und Steine abgeladen. Nach einem durchdachten Plan wurde das Material dann zu Wällen und Hügeln geschichtet, um das neue Oberflächenprofil des Hofs herzustellen. Mit beträchtlichem Stolz schildert Aron: „Da drüben war ein Berg Erde. Der mußte hier verteilt werden. Das war schwer.“ Und Rohit aus der H7 staunt noch heute: „Am Anfang haben wir gedacht, das schaffen wir nie!“

Der neue Pausenhof lädt mit seinen Wällen, Hecken und Rasenflächen zum Toben und Spielen ein. Zugleich bietet er – ob im Duftgarten, an der geflochtenen Hecke oder am Teich – kleine Naturerlebnisse und Kuschelecken. Und: Bau und Erhalt des Idylls im vernachlässigten Stadtteil in Hamburgs Osten sind zu einem Anliegen der Kinder und Jugendlichen geworden. Allen, die's wissen wollen – und anderen auch – werden die landschaftsarchitektonischen Feinheiten der Anlage und die Geheimnisse des Duftgartens und der Gewürzspirale von den SchülerInnen erklärt.

„Kinder und Jugendliche haben sonst keinen Gestaltungseinfluß“, erklärt Ingo Wiegand das Phänomen. Natürlich komme es nunmehr darauf an, daß das neue Naturwunder rings um Schule und Kindergarten mit in den Unterricht einbezogen werde.

An der Hauptschule, berichtet Direktor Claaßen, solle bald ein Wahlpflichtkurs Gartenpflege eingeführt werden, und wenn im nächsten Jahr die „Verläßliche Halbtagsgrundschule“ komme, ergäben sich auch bestimmt Freiräume zur Beschäftigung mit dem Hof. Im November, sagt Claaßen, wolle man erst einmal den zweiten Teil des Schulhofs in Angriff nehmen.

„Die Konflikte auf dem Schulhof haben stark abgenommen; es gibt keine Zerstörung“, schwärmt Claaßen vom pädagogischen Nutzen der Aktion. Nachmittags muß der Schulhof allerdings geschlossen bleiben, weil zu befürchten ist, daß sonst BewohnerInnen aus der Umgebung weniger verantwortungsvoll mit ihm umgehen. Womit bewiesen wäre, daß sich nicht alle sozialen Probleme auf Rasenflächen lösen lassen.

Aber, macht sich auch KIWI-Berater Wiegand für die selbstgestaltete Umwelt stark: „Es gibt schließlich Gründe, warum Kinder auf grantigen Belägen auch irgendwann einmal grantig werden.“