■ Nachschlag
: Sven Hagolanis interaktive Kunst bei Fleisch und Wurst

Es gibt Reizwörter, die zwar nicht mehr ganz neu, aber trotzdem noch in Mode sind. Man klinkt einfach ein „cyber“, „techno“, „virtuell“ oder gar „multimedial“ in den Veranstaltungstitel, und das Ganze sieht zukunftsweisend aus. Sven Hagolanis „interaktive Fotoausstellung“ (so der Untertitel zu „News“) in der Ex-Metzgerei „Fleisch und Wurst“ liegt ganz in diesem Trend. Auch wenn man sich unter solcherlei Fotos wenig vorstellen mag, funktioniert die Interaktion überraschend gut.

Ausgestellt werden Holographien, wie man sie mit zwinkernden Madonnen und hechelnden Pudeln an diversen Postkartenständen erwerben kann. Der 3D-Effekt und die Bewegung entstehen mit der Überlagerung der Aufnahmen aus verschiedenen Perspektiven. So bedienen sich die dreidimensionalen Fotos von Sven Hagolani dieser „interaktiven“ Möglichkeiten, die man schon als Kind erprobt hat. Kneift man das rechte Auge zu, sieht man auf dem Hagolani-Foto „Oliver“ noch dessen Gesichtshälfte, seine Hand greift wie zur Abwehr nach der Kamera. In der anderen Einstellung ist Oliver schon verschwunden (jetzt mit zugekniffenem linken Auge). Richtig ansprechend ist das Bild „Dirk Mainzer“. Ein junger Typ mit Dreitagebart und ausgewaschenem blauen T-Shirt hält eine Zigarette in der Hand und blickt bald ernst, bald grinsend in die Kamera. Das Bild hat die Qualität einer Polaroidaufnahme. Bei anderen Holographien scheint nur die Umgebung zu flimmern: Ein Mensch mit Raverbrille hängt in einem Kletternetz auf dem Spielplatz, nur die blauen Seile wackeln. Daß Hagolani solche optischen Tricks als interaktive Kunstform verkauft, ist fast schon ein Geniestreich.

Die Serie „Irrealitäten – Realitäten“ wirkt dagegen flach. Beim „Gang durch die Cyberwelt“ wird eine Traumszene zweier Liebender dargestellt, die sich von Bild zu Bild in der virtuellen Welt verlieren und schließlich auflösen. Im dritten Teil beschäftigt sich Hagolani mit schönen Frauen. Hier zumindest wurde nach einem entsprechenden Vorbild gearbeitet. Wie bei Helmut Newton sind die Frauen unnahbar, erstarrt und haben Körper wie Schaufensterfiguren. Auf einem Foto ohne Titel rasiert eine blondgelockte Langbeinige im schwarzen Seidennegligé das Gesicht eines nackten Models. Ihr Körper sitzt plastisch perfekt auf einem Marmorbecken. Wären nicht das schwarze Negligé, die dekorativ gereihten Pinselchen, Parfumflakons und die Pfennigabsätze der Blondine, hätte das Bild vermutlich an Originalität gewonnen. Die schlichten Fotos von Hagolani sind eindringlicher. Julie Annette Schrader

„News“, bis 3.10., Di-So 16-22 Uhr, Fleisch und Wurst, Torstraße 99