Die Hauptstadt hat Vorfahrt

Die Verbindungen ins Umland werden verbessert. Dagegen droht den Strecken zwischen kleineren Städten die Stillegung. Alternativkonzept liegt vor  ■ Von Christian Meseth

Die Bahn investiert in schnellere Verbinungen vor allem zwischen den großen Städten. Schneller kommen die Berliner nach Hamburg, aber auch in die Städte im Umland sollen die Bahnen schneller werden. Brandenburg setzt vor allem auf einen Ausbau der Strecken, die stark befahren werden und von Berlin wie ein Stern ausstrahlen. Da die Mittel begrenzt sind, werden Strecken, die Querverbindungen zwischen den einzelnen Städten auf dem Stern herstellen, stillgelegt oder sind zumindest von der Stillegung bedroht. So wurde zum Beispiel die Strecke Fürstenberg–Templin im Norden Brandenburgs stillgelegt. Der Bahnverbindung zwischen Belzig und Brandenburg steht dies womöglich noch bevor. Diese Strecke gehört zu den rund 370 Kilometern Bahnstrecke in Brandenburg, die im „Schienen- Person-Nahverkehrs-Plan“ (SPNV) mit dem Vermerk „Handlungsbedarf“ geführt werden – eine Umschreibung für eine dem Land teuer kommende Stecke, die eingestellt werden kann. Mehr als 150 kleine Bahnhöfe – zum Teil auch auf den Hauptlinien – wurden schon geschlossen. Gutengermendorf oder Altlüdersdorf heißen solche Bahnhöfe, an denen kein Zug mehr hält.

Helmut Horst ist Mitglied der in Brandenburg auf Landesebene zur außerparlamentarischen Oppostion degradierten Bündnisgrünen. Er kämpft gegen die Stillegung von Bahnstrecken und Dorf-Bahnhöfen, wie sie im Rahmen des Konzeptes „Zielnetz 2000“ von der Potsdamer Landesregierung und der Deutschen Bahn AG (DB) betrieben werden. Der 57jährige Grüne ist Mitglied im Verkehrsbeirat des Landkreises Oberhavel und leitet an der Volkshochschule eine Vortragsreihe über die Verkehrsplanung. Und weil er niemand ist, der neutral und trocken über sein Thema referiert und auch schon mal fordert, man müsse so etwas wie Widerstand gegen die Verkehrspolitik des sozialdemokratischen Verkehrsministers organisieren, wurde ihm der Leiter der Volkshochschule zur Seite gestellt. Dieser wurde beauftragt, die letzte Veranstaltung in dieser Reihe „zu moderieren“. Stephan Müller vom Deutschen Bahnkunden-Verband Pro Bahn präsentierte in der Vortragsreihe in dieser Woche ein Alternativkonzept zur bisherigen Politik der Streckenstillegungen und Bahnhofsschließungen. Müller fordert, das Gesamtnetz in Brandenburg in ein Grundnetz und in mehrere regionale Nebennetze aufzuteilen. Die Nebennetze, die seiner Meinung nach wesentlich wirtschaftlicher betrieben werden könnten, als dies jetzt die Deutsche Bahn AG tut, und somit vom Land niedirger subventioniert werden müßten, könnten dann öffentlich ausgeschrieben werden.

Die Potsdamer Landesregierung schien lange allein auf die Bahn AG zu setzen. Der für Brandenburg zuständige DB-Mann Hans Leister gilt als „heimlicher Bahnminister“ des Landes, auf den der Verkehrsminister schon mal verwies, wenn es darum ging, die Verkehrspolitik in Sachen Streckenstillegungen zu erläutern, wie Horst erzählt. Mittlerweile kann man dem Konzept der Regionalen Nebennetze auch im Verkehrsministerium einiges abgewinnen. Karlheinz Beilner, Referatsleiter für Eisenbahnen, will „Anfang nächsten Jahres mit Ausschreibungen“ von kleineren, zusammenhängenden Netzen „beginnen“.

Im Landratsamt von Oranienburg scheint sich noch nicht herumgesprochen zu haben, daß der heimliche Bahnminister vielleicht vor seiner Ablösung durch die politsch Verantwortlichen steht. Auf Anfrage erklärte das Landratsamt, daß man über Horst verärgert gewesen sei, weil er den Landrat gebeten hatte, in seiner Vortragsreihe zu sprechen. „Und außerdem“, so der Büroleiter des Landratamtes, „war der Herr Leister ja schon da“.