Aber Jimi Hendrix lebt nicht mehr

Der „Weltfriedenswanderer“ Stefan Horvath ist rastlos für Frieden und Hilfsgütertransporte unterwegs – jetzt machte er in Berlin Station. Eine sieben Jahre und 40.000 Kilometer lange Fluchtgeschichte  ■ Von Isabel Fannrich

Einer, den die Medien zum Weltfriedenswanderer auserkoren haben, weil er für den Frieden schon fast um die Welt gelaufen ist, muß doch mager und struppig aussehen. Doch Stefan Horvath wirkt wie einem Bräunungsstudio entsprungen. Den Schirm seiner Baseballmütze trägt er mal im Nacken, mal seitlich. Über den bunten Sportklamotten hängt an einer langen Kette, wie eine Hundemarke, ein selbstgemachter Ausweis. „Peace Worker“ steht darauf, darunter seine wichtigsten Reisestationen und die Reisepaßnummer.

„Sonst glaubt mir ja niemand“, betont er mit ausholender Gestik, „daß ich 40.000 Kilometer für den Frieden gelaufen bin. Ich war in Ruanda, Somalia, Bosnien. Und sollten die Deutschen die jugoslawischen Kriegsflüchtlinge abschieben, bin ich am 1. Oktober in Straßburg.“ Dort will er beim Europäischen Gerichtshof gegen die Verletzung der Menschenrechte klagen. „Das Volk wird jubeln, wenn ich komme und siege.“ Er glaubt an die Lernfähigkeit der Menschen, auch an die Einsicht der Politiker. „Die Politiker haben keine Ahnung.“ Er habe am Vortag einen Berliner Abgeordneten besucht. „Den habe ich gefragt, was er für Bosnien tut, und als er mir eine unglaubwürdige Geschichte erzählte, schrie ich ihn zusammen. Die Politiker werden knallrot, denn sie haben ein schlechtes Gewissen.“ Horvaths Konsequenz: „Sie alle vernichten.“

Nur mühsam sind dem 38jährigen Einzelheiten über sein Leben und seine siebenjährige Wanderung zu entlocken. Mit emphatischer Wortgewalt versteckt er sich hinter grobformulierten politischen Forderungen und eindrucksvoll klingenden Reisestationen – in der Hoffnung auf eine Spende. Seitdem Horvath 1989 den eigenen Fenster- und Heizungsbetrieb sowie seine Frau in Wien zurückgelassen hat, ist er auf Geldgeber angewiesen, die ihn und „den Frieden“ unterstützen.

Er zeigt Fotos aus seinem dicken Aktenordner, die ihn an „Brennpunkten“ zeigen: In Solingen trägt er eine Friedenskerze, in Kroatien steht er in kroatischer Militärkluft neben einem UNHCR-Soldaten, in Bosnien trinkt er Schnaps mit einem Lkw- Fahrer: „Ein Friedensgespräch unter wahren Männern.“ Andere Bilder zeugen von den Hilfstransporten, die er eigenhändig und „ohne Verwaltungsaufwand“ nach Ruanda, Somalia und Bosnien durchgeführt habe: Fünfzig bis sechzig Lkws voll, sagt er, mit Hilfsgütern im Wert von 900.000 Mark. Sein Beleg sind Spendenquittungen einzelner Firmen mit Beträgen zwischen 50 und 1.500 Mark. Unzählige Zeitungsartikel holt er hervor: „Das bin ich“. In offiziellen Schreiben danken ihm die UNHCR, der niederländische Expremier Ruud Lubbers, Bürgermeister und Landesminister.

„Meine Zeit waren die 70er und 80er“, berichtet er. „Trampen, Lagerfeuer, mit Schlafsack und Baguette unter dem Eifelturm sitzen.“ Aber Jimi Hendrix, als Tätowierung auf seinem Unterarm ständiger Begleiter, lebt nicht mehr. „Die Stimmung wird wiederkommen“, sagt er selbstvergessen und macht das Peace-Zeichen. 1989, als die Mauer zwischen West und Ost fiel, habe er gespürt, daß er aufstehen müsse. Zunächst sei er „für Europa“ durch Österreich, dann nach Berlin und Leipzig marschiert. Danach habe er nicht mehr ins zivile Leben zurückgefunden. Seine Kinder sieht er einmal im Jahr. Manchmal ruft er an, um sich zu vergewissern, ob sie brav in die Schule gehen. Um zu wissen, was ihr Vater macht, müssen auch sie im dicken Aktenordner blättern.