Wer bei den Armen spart, schadet der Umwelt

■ David Reed vom WWF-Büro „Nachhaltige Entwicklung“ zu Weltbank und Umwelt

taz: Die Weltbank ist in den letzten Jahren viel „grüner“ geworden. Für viele Projekte werden nun Umweltverträglichkeitsprüfungen durchgeführt. Ist der WWF damit zufrieden?

David Reed: Sicher hat die Weltbank ihr Vorgehen verbessert: Sie achtet mehr auf Umweltauswirkungen von Investitionen, sie gibt mehr Geld für Umweltschutz aus. Aber das bezieht sich nur auf die Projektebene, nicht auf die Strukturanpassungsprogramme, mit denen Weltbank und IWF die gesamten Volkswirtschaften verschuldeter Länder umgestalten.

Strukturanpassungsprogramme sollen vor allem die Volkswirtschaften der Entwicklungsländer für den Außenhandel und Investitionen öffnen. Sie zielen darauf ab, die Rolle des Staates herunterzufahren, etwa durch Privatisierungen und die Verminderung von Ausgaben für Subventionen und soziale Dienste. Was hat das mit der Umwelt zu tun?

Strukturanpassungsprogramme haben unterschiedliche Auswirkungen auf unterschiedliche soziale Gruppen, und diese wiederum beeinflussen die Umwelt. Nehmen wir zum Beispiel die Landwirtschaft: Dem kommerziellen Sektor wird es besser gehen durch größere Exportchancen und leichteren Zugang zu Agrochemikalien. Weltbank und IWF sehen nun nur, daß es der Wirtschaft besser geht. Doch der Masse der kleinen Bauern – das trifft übrigens besonders Frauen –, die sich Dünger nicht leisten können, die staatliche Hilfen für Gesundheitsversorgung, Schule, Transport und so weiter verlieren, bleibt nichts anderes übrig, als ihr Land zu übernutzen und auch ökologisch hochempfindliche Böden zu erschließen. Weil sie sich andere Brennstoffe nicht mehr leisten können, werden sie auf Holz zurückgreifen. Auch die Abholzung auch zur Landgewinnung nimmt zu.

Sind Strukturanpassungsprogramme grundsätzlich abzulehnen?

Im Gegenteil. Sie sind unumgänglich. Wenn Entwicklungsländer nicht effizienter wirtschaften, gehen sie nicht nur ökonomisch zugrunde. Auch der ökologische Schaden wird enorm sein. Die Programme können zudem durchaus positive Effekte auf die Umwelt haben, etwa wenn realistische Energiepreise zu einem vernünftigeren Energieeinsatz führen.

Was müßten Weltbank und IWF anders machen?

Zu Beginn müßte immer eine Untersuchung stehen, welche sozialen Gruppen wie betroffen werden. Es muß eine Strategie ausgearbeitet werden, wie den am härtesten Betroffenen durch die Übergangsphase geholfen werden kann. Ständige Überprüfung der Umweltauswirkungen müßte eine Voraussetzung für weitere Strukturanpassungskredite werden. Und dann müßten sich die ökologischen Kosten in den nationalen Bilanzen widerspiegeln.

Nachhaltigkeit ist zwar das neue Entwicklungspolitik-Paradigma. Doch die internationalen Finanzinstitutionen folgen unbeirrt dem Paradigma der Globalisierung und Liberalisierung. Glauben Sie an eine Versöhnbarkeit?

Ich bin da nicht sonderlich optimistisch. Alles was wir tun können, ist zu versuchen, die Weltbank zum Verbündeten zu machen.

Weltbankpräsident James Wolfensohn geht tatsächlich aktiv auf die regierungsunabhängigen Organisationen (NGOs) zu.

Unsere Chance ist, daß sich im Zuge der Globalisierung die Machtverhältnisse geändert haben. Die treibenden Kräfte im Entwicklungsprozeß sind mittlerweile der Privatsektor und die Gesellschaft, die sich mehr und mehr in NGOs organisiert. Nationale Regierungen wie internationale Organisationen verlieren an Einfluß. Die Frage ist jetzt: Welche Macht kann den privaten Sektor zwingen, die Umwelt zu respektieren? Regierungen und die internationalen Organisationen haben gar keine andere Wahl, als mit NGOs zusammenzuarbeiten.

Mehrere NGOs wollen in den nächsten Monaten gemeinsam mit der Weltbank Strukturanpassungsprogramme unter die Lupe nehmen. Nimmt der WWF daran teil?

Nein, wir haben das ja schon getan. Diese Initiative greift außerdem nur die soziale Seite auf, nicht die ökologische. Wir fragen uns: Warum noch mehr Forschung, statt endlich aktiv zu werden? Wir führen zur Zeit schon ein paar regionale Programme durch, etwa im Mekongdelta und im südlichen Afrika. Wir arbeiten dort mit NGOs, Regierungen und dem Privatsektor zusammen. Die grundsätzlichen Änderungen in der Politik müssen in den betroffenen Ländern selbst stattfinden, nicht in der Weltbank. Wenn wir die Weltbank daran beteiligen können, um so besser. Interview: Nicola Liebert