Vulkan: Alles oder nichts

■ Neue Bürgschaft und neues Gutachten / Diesmal gesucht: Die „wahre“ Wahrheit

„Not- und Räumungsverkauf - Wir brauchen Platz und Geld! Neuwertiger Schiffstorso wg. Werft-Trauerfall billigst in gute ggf. auch beliebige Hände abzugeben. Ausbau zu schwimmfähigem Luxus-Kreuzliner (siehe Costa Victoria!) mit geringem Aufwand möglich. Angebote bitte an Jobst Wellensiek, gerichtlich bestellter Konkursverwalter, taz-chiffre 11096.“

Damals, ja damals vor 10 Jahren, als das Wünschen noch geholfen hat und in Bremen „tageszeitungen“ oder Werftenverbünde gegründet wurden, wäre das vielleicht ein guter Tip an einen ratlosen Senat gewesen: Ein Vulkan-Halbfertigprodukt unter Selbstkostenpreis per taz-Kleinanzeige losschlagen.

Damals, als Lokal-taz-leserIn der ersten Stunde erinnern Sie sich bestimmt, mußte die alternative AnzeigenkundIn noch 5 Mark in die Biß-morgen-Postkarte eintüten und fand zur Belohnung: Vielleicht ihr Lebensglück, vielleicht einen Rest-Platz in einem Trommel-Kurs, vielleicht beides zugleich oder eben Kundschaft für einen Rumpf, z.B. einen Schiffsrumpf. Heute ist alles anders. Die taz-Kleinanzeige kostet das Doppelte, Werftenverbünde werden wieder kleingehackt und viertel-fertige Vulkan-Schiffe sind Ladenhüter und ein Fall für Verzweiflungstäter.

35 Millionen haben die - im parlamentarischen Amtsdeutsch „Bürgschaftsausschuß-Mitglieder“ genannt - dem Vulkan jetzt wieder bewilligt. Offiziell in der Hoffnung, das Geld irgendwann wiederzusehen. Inoffiziell ist das Geld weg, aber angeblich nicht rausgeschmissen sondern die allerallerallerletzte Chance, in Vegesack zwei Containerschiffe fertigzustellen. Ohne die Hoppla-Hop-Zahlung, ließ Konkursverwalter Wellensiek ultimativ wissen, müsse er heute, am 1. Oktober, leider die Arbeiter nach Hause schicken. Also: Die Vulkan-Lohnkasse war mal wieder leer, der Erlös des letzten abgelieferten Containerschiffs ausgegeben.

Offiziell zahlt der Senat mit den 35 Millionen vorab ein Halbfertig-Schiff, das er erstens gar nicht will und das ihm eigentlich längst gehört: Im Rumpf der Costa II stecken schon Bürgschaften über mindestens 78 Millionen. 78 „alte“ plus 35 „neue“ Millionen macht 113. Selbst kühne Optimisten wie Jobst Wellensiek hoffen inzwischen allenfalls auf 60 Millionen Verkaufserlös, wenn, ja, wenn die Costa II endlich einen Käufer fände.

Grund für die ernüchternde Erkenntnis bei allen Beteiligten: Es haben zwar mehrere Reeder Kaufinteresse an dem Schifftorso geheuchelt, aber hinter allen, weiß der Senat heute und verriet er jetzt kleinlaut den parlamentarischen Bürgen, steckt Reeder Costa. Andere Interessenten sind nicht in Sicht, und in vier Wochen will Konkursverwalter Wellensiek endgültig Vollzug melden. Mit Scheinangeboten und Strohmännern hat der schlitzohrige Reeder Costa die verweifelte Vulkan-Lage genutzt und den Kaufpreis auf rund 60 Millionen gedrückt. Und selbst wenn die kommen sollten – der Finanzsenator sieht davon allenfalls ein Bruchteil wieder. Der Löwenanteil, mindestens 35 Millionen, ist und bleibt eine (Europäische Union: Mal weghören!) Bremer Steuer-Stiftung für den guten Zweck: Einstweilige Weiterarbeit auf dem Vulkan mit immer noch ungewissem Ausgang. Allerdings: Ganz allein wollen und können die parlamentarischen Bürgen die Verantwortung diesmal nicht übernehmen. Die Bürgerschaft soll den unvermeidlichen Verzicht auf Bremer Steuergeld per Abstimmung absegnen – hat der Bremer Rechnungshof dringend nahegelegt. Wie sich notwendige Diskretion und öffentlich Abstimmung vertragen, bieb dabei sein Geheimnis.

Endlich wissen, wozu das alles gut ist? Das wäre schön, fand der Bürgschaftsausschuß, und das darf auch eine Kleinigkeit kosten. Sagen wir 5 Millionen. Die hat derAusschuß obendrein genehmigt, damit ihm auch mal einer erklärt, wofür er bis heute insgesamt 1,2 Milliarden Vulkan-Bürgschaften beschlossen hat. Also: Ein neues Gutachten muß her. Nach Roland Berger, C&L-Treuarbeit sollen's jetzt mal die Unternehmensberater von McKinsey ran. Besonderheit des neuen Auftrags: Ausnahmsweise sollen und dürfen die Gutachter die ganze Vulkan-Wahrheit sagen: Schiffbau - kostendeckend, ohne Subventionsschummelei und wie's die Europäische Union erlaubt - ginge sowas eventuell auch in Bremen oder lieber doch nicht? Damit die Gutachter eine Chance haben, das rauszukriegen, dürfen sie sogar bei allen wichtigen Unternehmensentscheidungen mitreden. Alles oder nichts, schließen, verkaufen oder investieren - lautet die angeblich ernst gemeinte Frage an die Sachverständigen. Urteilsverkündung in drei Monaten.

Klaus Schloesser,

heute: Buten&binnen