Betonpolitik gegen Sonnenwärme

■ CDU und Wirtschaft torpedieren die längst fällige Solarverordnung, die Einsatz von Sonnentechnik bei Neubauten vorschreibt. SPD will Koalitionsausschuß anrufen, wenn Bausenator Klemann stur bleibt

Die Bauwirtschaft und ihre politischen Vertreter im Senat versuchen weiterhin, ihre Interessen gegen die mögliche Zukunft Berlins als wichtiger Standort für Solartechnik auszuspielen. Die Chancen für die seit einem Jahr überfällige Verordnung, mit der Berlin zur „Solar City“ gemacht werden soll, wie SPD und CDU noch im letzten Wahlkampf unisono verkündeten, stehen schlecht wie nie zuvor.

Bündnis 90/Die Grünen haben sich gestern in einem offenen Brief an Umweltsenator Peter Strieder (SPD) gewandt. SPD und CDU seien „schwerer Wortbruch und Wählertäuschung“ vorzuwerfen, wenn der Senat die „bei jeder Gelegenheit feierlich zugesicherte Solarverordnung nicht endlich durchsetzt“, so die energie- und wirtschaftspolitischen Sprecher der Bündnisgrünen, Hartwig Berger und Vollrad Kuhn.

Aktueller Anlaß für den Brief ist ein Ende letzter Woche vom Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) vorgestellter Zwischenbericht des „Bündnisses für Standortsicherung und Beschäftigung“. Dem Bündnis gehören neben Senatsvertretern Wirtschaftsverbände und Gewerkschafter an. In dem unter Beteiligung von Senatsarbeitsgruppen erstellten Papier wird explizit der „Verzicht auf die geplante Solarverordnung“ als mögliche Maßnahme zur „Erleichterung von Investitionsvorhaben“ genannt. Das Abgeordnetenhaus hatte den Senat im Herbst letzten Jahres beauftragt, eine Verordnung zu erlassen, nach der alle Neubauten mit zentraler Wasserversorgung 60 Prozent ihres Warmwasserbedarfs über thermische Solaranlagen decken müssen. Ein entsprechender Verordnungsentwurf liegt seit längerem vor, wurde aber von Bausenator Jürgen Klemann bisher nicht abgezeichnet. Der Bausenator war gestern nicht zu einer Stellungnahme zu erreichen.

Die Befürworter der Verordnung hoffen, daß Berlin damit vom solartechnischen Schlußlicht der Republik zur „Solarhauptstadt“ aufsteigt. Neuansiedlungen von Solartechnikfirmen und mehr Arbeitsplätze bei schon vorhandenen Firmen erhofft sich etwa der sozialdemokratische Energieexperte Holger Rogall. Für ihn ist die Förderung der Solartechnik ein „sozialdemokratisches Essential“.

Auf wenig Gegenliebe stößt die Solarverordnung dagegen bei der Bauwirtschaft. Diese befürchtet einen Anstieg der Baukosten. Uwe Hartmann von der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie hält die Initiative des „Bündnisses für Standortsicherung und Beschäftigung“ für einen weiteren Versuch „interessierter Kreise in der Wohnungs- und Bauwirtschaft“, die Verordnung zu kippen. Ihm gegenüber hätten Wirtschaftsvertreter offen gesagt, „eine Solarverordnung wird es mit uns nicht geben“, so Hartmann.

Der Sprecher der Umweltsenatsverwaltung, Manfred Ronzheimer, erklärte gestern, daß die Solarverordnung in Vorbereitung sei und „noch im Herbst in den Senat eingebracht“ werde. Sollte die CDU von ihr abrücken, würde dies „schwere politische Folgen“ haben. Der SPD-Abgeordnete Holger Rogall will eine Entscheidung erzwingen: Sollte Bausenator Klemann seine Blockadepolitik in den nächsten zwei Wochen nicht aufgeben, werde die SPD die Angelegenheit in den Koalitionsausschuß bringen, kündigte er an. Christian Meseth