■ Buchtip
: Geborgtes Land

Sie kommen aus Vietnam, Guatemala, Palästina, China, dem Iran, aus Chile, Simbabwe, Afghanistan und leben heute in den USA. Frauen aus aller Welt. Gemeinsam ist ihnen das „Leben im Exil“. Mahnaz Afkhami, selbst Migrantin aus dem Iran, hat einige dieser Frauen interviewt, ihre Lebensgeschichten aufgeschrieben. Sie mußten ihre Heimat aus unterschiedlichen Gründen verlassen: Wegen ihres Widerstands gegen politische Verhältnisse oder zermalmt von der Gnadenlosigkeit politischer Umbrüche. Die Porträts der Frauen sind gelungene Erzählungen: Nie wird die öffentliche Person, ihre politische Überzeugung, ihr Widerstand von ihrer persönlichen Entwicklung, ihren persönlichen Hintergründen getrennt. Das macht die Porträts spannend. Die Interviewerin und Autorin Afkahmi hat stets die ganze Person im Blick.

Mahnaz Afkhamis Aufzeichnung führen in unterschiedlichste Kulturen, unteschiedlichste Gesellschaften und Systeme und arbeiten dennoch klare Parallen der Lebensgeschichten heraus: Das Trauma der Frauen, so verschieden es im konkreten Fall sein mag, ist immer auch geprägt von dem Kampf um die persönliche Freiheit als Frau. In allen Lebensgeschichten schwingt die unausgesprochene Wahrheit mit, daß der vorübergehende Bruch mit der eigenen Gesellschaft – fast immer patriarchale Strukturen – bei aller Härte auch einen positiven Effekt hat. „Sie schätzen die Vereinigten Staaten als einen sicheren Hafen, einen Ort, der sie willkommen heißt, und ihnen ermöglicht sich selbst zu finden. Die relative Freiheit, die Frauen in dieser Gesellschaft genießen, wissen sie zu würdigen.“ Dabei übersehen sie nicht die Schattenseiten wie Isolation, Einsamkeit und Konkurrenz.

Frauen im Exil arrangieren sich anders und vor allem effektiver als der größte Teil ihrer männlichen Schicksalsgenossen. Frauen, so zeigt dieses Buch, verklären nicht die Vergangenheit, sie lassen sich viel stärker auf die neuen Lebensumstände ein. „Der Schmerz des Exils ist greifbar und anhaltend. Aber es gibt auch Freuden“, sagt die Palästinenserin Hela Deeb Jabbour. „Die größte Freude liegt in der Möglichkeit, die Machtstrukturen, Regeln und Vorschriften zu durchbrechen, die eine Frau binden, sie ihrer eigenen Stimme und wahren Identität berauben. Das Ausbrechen ist schmerzhaft, aber Schmerz kann ein Zeichen der Widergeburt sein. Edith Kresta

Mahnaz Afkhami: „Leben im Exil – Frauen aus aller Welt“, Klett- Cotta Verlag, 1996, 305 Seiten, 38 Mark