Brach das Feuer im ersten Stock aus?

■ Die entscheidende Frage beim Lübecker Brandprozeß konnte auch am fünften Prozeßtag nicht geklärt werden. Widersprüchliche Aussagen der acht ZeugInnen

Lübeck (taz) – Brach das Feuer, das am 18. Januar zehn BewohnerInnen des Lübecker Flüchtlingsheims in der Hafenstraße das Leben kostete, im ersten Stock aus? So wie die Staatsanwaltschaft behauptet und es der Beschuldigte Safwan Eid noch in der Brandnacht einem Rettungssanitäter berichtet haben soll? Oder im hölzernen Vorbau der Flüchtlingsunterkunft, wie die Verteidigung des Libanesen zu wissen meint? Um das zu klären, hatte das Lübecker Landgericht am fünften Prozeßtag um den Lübecker Brandanschlag gleich acht AugenzeugInnen der Feuerkatastrophe geladen.

Der Ort, an dem der Brand ausbrach, ist für das Verfahren von entscheidender Bedeutung. Breitete sich das Feuer vom ersten Stock des Gebäudes aus, kämen nur Bewohner des Flüchtlingsheims als Brandstifter in Frage. Züngelten die Flammen aber zuerst aus dem hölzernen Anbau, ist das von dem Rettungssanitäter überlieferte „Geständnis“ Safwan Eids nahezu wertlos. Ein Brandanschlag von außen könnte dann nicht mehr ausgeschlossen werden.

Doch die acht AugenzeugInnen, die gestern dem Landgericht ihre Beobachtung schilderten, konnten das Geheimnis nicht lüften. So widersprüchlich fielen ihre Aussagen aus. So berichtete der Berufsschüler Ronny B., der als einer der ersten am Brandort eintraf, daß „der Vorbau bereits lichterloh brannte“, als er das Gebäude erreichte. Aus dem Rest der Unterkunft seien zu diesem Zeitpunkt noch keine Flammen geschlagen. Der 25jährige Thorsten K., der sich fast zur gleichen Zeit vor der Stirnseite des Flüchtlingsheims befunden haben muß, hat hingegen „nur im ersten Stock das Feuer“ gesehen. Auf den hölzernen Vorbau habe er allerdings, so räumte der Zeuge ein, „keine Sicht gehabt“.

Ein nur wenige Minuten später eintreffender Bundesgrenzschutzbeamter berichtete gestern ebenfalls von „Flammen, die aus einem Fenster im ersten Stock“ schlugen. Ein Feuer im Vorbau habe er nicht bemerkt. Auch wenn er „nicht bewußt in Richtung“ des Holzverschlags geschaut habe, hätte ihm „auffallen müssen“, wenn der Anbau bei seinem Eintreffen schon gebrannt hätte. Eine Nachbarin hingegen will gesehen haben, daß es am Anfang „in dem Vorbau und im zweiten Stock“, jedoch nicht im ersten Geschoß gebrannt habe.

„Wir sind der Wahrheitsfindung heute kein Stück näher gekommen“, resümierte Safwan Eids Verteidigerin Gabriele Heinecke den Prozeßtag: „Jeder Zeuge hat das Feuer vor allem auf der Seite wahrgenommen, von der er gekommen ist.“ Ihre Kollegin Barbara Klawitter hingegen zeigte sich „zufrieden“: „Die These der Staatsanwaltschaft, es habe zuerst nur im ersten Stock gebrannt“, sei gestern „von mehreren Zeugen widerlegt worden“. Marco Carini