Projektionsfläche für Fantasien

■ Das Neo-Dub-Duo Rockers Hi-Fi über Labelpolitik und Serien

Als das britische Dub-Duo Rockers Hi-Fi vor zwei Jahren zur Veröffentlichung ihres vielgelobten Albums Rockers To Rockers einen Auftritt in der Markthalle absolvierte, gab es mehr Menschen auf der Gästeliste als zahlende Besucher. Doch nicht nur Journalisten interessierten sich für den damals hochgehandelten Schulterschluß von House und Reggae aus Birmingham: Rockers Hi-Fi spielten zufälligerweise während der jährlichen Vertriebstagung ihrer Plattenfirma in Hamburg und somit vor genau jenen Menschen, die mittels Engagements über Gedeih und Verderb einer Schallplattenveröf-fentlichung entscheiden.

Die Band selbst konnte man aufgrund einer getunten Licht-Show und mächtig viel Nebel nur schemenhaft wahrnehmen. Vielleicht konnten sich die Vertreter deshalb kein Bild von den gelassen groovenden Rockers Hi-Fi machen?

Die Platte floppte gnadenlos. Und das, obwohl die Freunde Dick Whittingham und Glyn Bush 1992 mit „Push Push“ einen gewaschenen Hit gelandet hatten, der sich DJs und Produzenten längst als Eckpunkt einer modernen Auffassung von Dancefloor in die Erinnerung gefräst hatte. „Island Records hatten die Veröffentlichung unserer fertigen Platte einfach Monat um Monat verschoben,“ macht Glyn Bush ihr Label mitverantwortlich. „Zwei Jahre ging das so!“ Der Frust saß tief vor der Veröffentlichung des neuen Albums und nicht nur House-Instanz René Martens stellte in der Zwischenzeit die Frage nach dem Klang der Gegenwart.

Zumindest diese Frage beantwortet Mish Mash, das kürzlich erschienene, mit filmischen Anleihen konzipierte zweite Album. „Wir wollten das Album anlegen wie eine amerikanische Cop-Serie,“ so Dick Whittingham. „Also gibt es nicht nur mehrere Teile, sondern auch musikalische Verfolgungsjagden, Schießereien und sogar Tote.“ Begleitet wurde die Veröffentlichung von einem Presse-Hype, der alles platt machte: die Musikzeitschrift Spex zog in ihrer September-Ausgabe gar den Vergleich zum Sgt. Peppers-Album der Beatles.

Wenn alles mit rechten Dingen zugeht, wird Mish Mash, das tatsächlich eine „Tour de Sound“ durch die verschiedenen Spielarten der modernen Tanzmusik ist, eine größere Anzahl Menschen ansprechen, als es dem wegweisenden Debüt vergönnt gewesen war. „Wir haben unser Album Mish Mash genannt,“ führt Bush aus, „damit uns später niemand vorwerfen kann, wir hätten sie nicht gewarnt.“

Gewarnt werden muß allerhöchstens vor der Euphorie der vielen voneinander abschreibenden Journalisten, die Rockers Hi-Fi in den höchsten Himmel loben, indem sie den Neo-Dub des Duos als Projek-tionsfläche für ihre Progressiv-Phantasien mißbrauchen.

Max Dax

Fr, 4. Oktober, 21 Uhr, Markthalle