Gesänge der Generationen

■ Während die juvenile Fiona Apple den abgebrühten Blues singt, hat sich die Mutter Suzanne Vega einen unschuldigen Blick auf Körper und Sex bewahrt

In den letzten Jahren war viel vom Verlust der Jugend die Rede – angesichts von Kinderkriminalität und anderen Zeichen von Frühreife auch durchaus verständlich. Die New Yorker Sängerin Fiona Apple ist auf ihre Art ein neuerliches Zeichen dafür. Hört man ihre rauchige, ausgelaugte Stimme, ist man sicher, daß diese Frau wie Faye Dunaway oder die späte Jeanne Moreau aussehen muß. Dieser Stimme, so scheint es, kann man nichts mehr vormachen, sie hat schon genug erlebt, um nichts mehr vom Leben zu erwarten, außer einem guten Blues.

Und Fiona Apple singt den Blues wie ihn PJ Harvey singt, jedoch ohne deren Tiefe und Wahnsinn, dafür mit gelegentlichem Swing. Dann spielen ihre Gefühlsstudien in den Rhythm'n'Blues ohne Schmock, um in eine Nachtclub-Opulenz samt Klavier und Streicher abzutauchen oder von einer Rhythmus-Maschine in Trab gehalten zu werden. Wie gesagt, diese Stimme hat viel erlebt.

Dabei ist der Körper zu der Stimme gerade mal 18 Jahre alt. Ihr Debut, sogleich bei einem Major veröffentlicht, hat die Göre Tidal getauft, weil das Leben, wie Fiona Apple neunmalklug von sich gibt, ein Wechselspiel von Ebbe und Flut sei. Unfreiwillig hat sie damit auch ihre eigene Kritik mitgeliefert. Denn nach der Hälfte bricht die wohltemperierte Mischung völlig auseinander. Pure Sentimentalität übernimmt, und spanische Gitarren, singende Sägen und Vibraphon-Höllen richten sich gemütlich im Kitsch ein. Dazu kommen noch allzu persönliche, aus dem Tagebuch der Folkerin entwichene Songtitel wie „Pale September“, die schon seit Jahrzehnten auf dem Index stehen. Zwischen frühreifer Göre und altersweiser Jugend mag man sich danach nicht mehr recht entscheiden.

Genau entgegengesetzt verhält es sich bei Suzanne Vega. Bereits 1985 veröffentlichte die Folk-Sängerin aus Greenwich Village ihr Debut, danach brachte sie „Luka“, eine Etüde über nachbarlichen Verfolgungswahn und ihr Lieblingsrestaurant „Tom's Diner“ unters Volk. Aber auch wenn sie heuer, nach einer 4jährigen Babypause, mit milder Wut von Verlangen trotz mütterlichen Belastungen singt, ist ihre Stimme immer noch voll Neugierde und Unerfahrenheit.

Ähnlich wie zuletzt Ween kann auch Suzanne Vega nicht gut zählen und nennt ihre Pop-Preziosen Nine Objects Of Desire, obwohl die Sehnsüchte ganze 12 Mal an die Kandarre genommen werden. Mit der Zeit tritt die Vega aber den Sehnsüchten ein wenig gelassener gegenüber und sperrte ihre dunkelsten Seiten in den Keller. Dagegen ist sie fast schon obsessiv von Körpern und Sex besessen. Es geht um fleischgewordene Liebe, dünne Männer für das nächste Date, um Lolitas, Stockings und was sich darunter befindet. Nach hinten verbannt hat sie allerdings fast schamhaft das pornographische „My Favorite Plum“. Irgendwie beruhigend, daß die Jugend wohl doch nicht ganz dahin ist. Volker Marquardt Fiona Apple: So, 6. Oktober, 21.30 Uhr, Mojo / Suzanne Vega: Mo, 7. Oktober, 21 Uhr, Große Freiheit