Herr & Knecht: Freunde fürs Leben

■ Stephen Frears hat mit Fish & Chips den letzten Teil von Doyles Roman-Trilogie verfilmt

In Irland finden die Briten scheinbar wieder zu sich und zurück zu einfachen Geschichten. Vor vier Jahren lieferte Parker mit The Commitments einen wunderschönen, unaufwendigen Musikfilm, den man ihm nach seiner Hollywood-Karriere nicht zugetraut hätte. Und auch Frears kehrt nach seinen US-Mainstream-Produktionen wieder nach Irland, zwei Straßen vom The Snapper-Setting entfernt, zurück

Hier hockt Bimbo vor seinem Guinness und weint. Schwer zu sagen, ob die Niederlage seiner Fußballmannschaft oder der verlorene Bäckerjob ihn so schluchzen läßt, daß die gesamte Oberfläche Irlands nicht als Schneuztuch reichen würde. Doch sein Schmerz ist nur einen Schnitt von derber Fröhlichkeit entfernt und schon in der nächsten Einstellung sehen wir Bimbo (Donal O'Kelly) selig lallend mit seinem Freund Larry (Colm Meaney) am Tresen stehen. So sind sie, die Iren im fiktiven Dubliner Vorort Barrytown, dem Roddy Doyle mit seiner Roman-Trilogie,The Commitments, The Snapper und The Van (die Drehbuchvorlage für Fish & Chips) eine Hommage widmet.

Frears setzt den Figuren an Gemütlichkeit und vermeintlich irischer Lebensfreude noch eine Portion drauf. Seine Barrytowner haben ein Gemüt wie ein durchgeßenes, aber kuscheliges Sofa und sind so trampelig, daß jedes Kartoffelschälen im Blutbad endet. Ihre einzige Anteilnahme am Weltgeschehen findet allein auf dem Fußballfeld statt und ein Sieg gegen England ist ihnen vorläufig ausreichende Rache „für Elton John, Churchill und Lawrence von Arabien“.

Larry und Bimbo zeichnet Frears als schrullige Sisyphose, die sich mit einer Ausdauer und Hartnäckigkeit jenseits aller Vernunft gegen die Widrigkeiten des armen Lebens stemmen und mit einer Arglosigkeit gesegnet sind, die sie vor ernsteren psychischen Krisen schützt. Zwar weiß Sozialhilfeempfänger Larry nicht, wovon er in diesem Jahr Weihnachtsgeschenke bezahlen soll, zwar knabbert er ebenso am Leben wie an seinen Fingernägeln, die inzwischen so tief liegen, daß ihm seine Frau abends beim Lösen der Turnschuhschnürsenkel behilflich sein muß. Doch als Bimbo ihn zu seinem Imbißbuden-Mitarbeiter macht, ist Larry mit plötzlich ungebrochener Zukunftseuphorie dabei. Die beiden Freunde, deren Risikobereitschaft bislang nur zum Rubbelfix-Spielen ausreichte, erproben sich mit Bulletten und Burgern in der freien Marktwirtschaft. Daß der Kleinkapitalismus die Freunde bald in Herr und Knecht aufteilt, daraus weiß Frears jedoch keine wirklich virulenten Funken zu schlagen. Und er verschläft den neuralgischen Punkt, an dem Fish & Chips mehr als eine witzig inszenierte Armutsfolklore mit irischem Lokalkolorit werden könnte. Kein Sozialdarwinismus unter den Genügsamen, der sich nicht mit einer herzhaften Prügelei aus der Welt watschen ließe. Und wenn die beiden Freunde am Ende den Unfrieden stiftenden Imbißwagen kurzerhand ins Meer rollen umflort ihre alles überdauernde Kameradschaft ein schwer erträglicher Heiligenschein. Birgit Glombitza

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