Verkleidung ist Teufelswerk

■ Karin Beier inszeniert Shakespeares Komödie Was ihr wollt im Deutschen Schauspielhaus in einem Zirkus der Traurigkeit und des Morbidezza

Shakespeares Illyrien in Dreikönigsabend oder Was ihr wollt ist für Karin Beier keine idyllische Welt. „Es ist ein Ort der Maskerade, der Täuschung und des Scheins.“ Also läßt sie die Liebesverwirrungen im Zirkus spielen: Herzog Orsino hat mit Zylinder und Reitstiefeln etwas vom Zirkusdirektor, Olivia könnte die Diva sein, Bleichenwang eine Art Pierrot und Malvolio erinnert an einen Sprechstallmeister.

„Das sind Menschen, die sich in einer Scheinwelt befinden. Das Bild des Seiltänzers paßt für sie“, sagt Karin Beier. Sie denkt jedoch nicht an den großen Manegenzauber, sondern an die Tristesse und Morbidezza der Gaukler in Fellinis La Strada. Absturzgefährdete Typen alle: „Die Figuren haben sich Welten zusammengebastelt, in denen sie leben können, die aber ihren Realitäten nicht entsprechen.“ Olivia will Trauer tragen um ihren toten Bruder und stürzt sich im nächsten Moment auf die als Cesario verkleidete Viola. Bleichenwang und Malvolio glauben sich von Olivia geliebt – gehen aber nur einer Intrige auf den Leim.

Ähnlich wie in Beiers Regie-Erfolg mit dem europäischen Sommernachtstraum bricht auch in Was ihr wollt der Liebeswahnsinn aus. „Der hat etwas Gewalttätiges, wie in den Sprachbildern zu sehen ist: Vom Hetzen und Erlegen des Wildes ist in den Texten von Orsino die Rede.“ Auch von Tod und Vergänglichkeit. Die Zeit läuft ab. Das Ticken der Uhr ist zu hören. „Ich habe deshalb die Rollen mit älteren Schauspielern besetzt, von dreißig aufwärts. Olivia und Orsino wollen noch rasch die große Leidenschaft erleben.“ Objekt ihrer Gier ist das junge Mädchen Viola, verkleidet als Page Cesario. Viola bringt in diesen Zirkus, in dem sich alle kennen und nicht mehr über die Witze des anderen lachen können, die Direktheit des Lebens. Und die Ambivalenz des Sexus.

„Die latente Bisexualität im Stück finde ich spannend. Die Hosenrolle der Viola darf nicht bloß Verkleidung sein. Sie muß zu ihrem Konflikt werden: Verkleidung, du bist ein Teufelswerk.“ Im Maskenspiel fallen die Masken der Zivilisation. Festlichkeit und Rausch bringen irrationale Seiten an den Tag. „Die kennen wir aus Träumen, lassen aber lieber den Deckel drauf und fragen uns heute, warum Kindermorde oder Jugendgewalt passieren. Das geht über Logik hinaus – hat etwas mit der Ursuppe zu tun. Shakespeare war ein Mann der Renaissance, geht aber über ihre Rationalität hinaus, deckt die dionysischen Abgründe in uns auf, die rätselhafte Seite, die Reste des Mittelalters. Ein Grund, warum ich Shakespeare so gerne mag.“

Thomas Rössl

Premiere: Mi, 9. September, 19.30 Uhr, Schauspielhaus