Filmfest Hamburg
: Immer der Tod

■ Existentielle Daseinserfahrungen prägten die beim Filmfest gezeigten asiatischen Filme

Ito ist in seinen Freund Yoshida verliebt. Einmal wird Ito von Klassenkameraden erniedrigt. Nur Yoshida steht ihm bei. Als die beiden allein sind, gesteht Ito ihm seine Gefühle und bittet um einen Kuß. Unsicher und ein wenig linkisch steht Yoshida mit ausgebreiteten Armen vor Ito und läßt sich küssen. Ob nur aus Freundschaft, bleibt unklar.

Diese Szene stammt aus dem Film Like Grains Of Sand, in dem der japanische Regisseur Ryosuke Hashiguchi die Schwierigkeiten einer Gruppe von Jugendlichen schildert, trotz persönlicher und gesellschaftlicher Hindernisse ihren Platz im Leben zu finden. Die Suche nach dem (vornehmlich individuell) richtigen Weg ist auch eines der wichtigsten Themen der japanischen Produktionen, die in der asiatischen Reihe auf dem Filmfest zu sehen waren.

So ist in Maborosi (Foto) von Hirokazu Kore-Eda eine junge Frau immer wieder mit dem Tod geliebter Menschen konfrontiert, was ihre Versuche, ihr Leben und ihre Gefühlswert zu stabilisieren, in Frage stellt. Kids Return von Takeshi Kitani verfolgt in einer langen Rückblende die alternativen Karriereversuche zweier befreundeter Schüler, wobei der eine als Boxer, der andere als Yakuza scheitert. Und mit dem lebensverändernden Unfall einer Turmspringerin behandelt auch Sogo Ishiis August In The Water ein richtungsweisendes Ereignis. Wo man nun Resignation vermuten würde steht jedoch im Gegenteil jedesmal ein Hoffnungsschimmer.

Alle genannten Filme finden völlig unterschiedliche Bilder und Erzählformen. Während Maborosi mit wunderschön komponierten Bildern und wenig äußerer Handlung aufwartet, Kids Return seine Geschichte mit staunenswerter Souveränität rafft, streckt und zerstückelt und Like Grains Of Sand annähernd realistisch und weniger auffällig erzählt, ist August In The Water hochgradig stilisiert.

Die extremsten Gegensätze zeigten zwei chinesischen Filme. In Sons läßt Zhang Yuan (in China mit Berufsverbot belegt) eine von Alkoholismus und Perspektivlosigkeit zerrüttete Nachbarfamilie sich selbst spielen und erzeugt damit eine beklemmende Authentizität. Dagegen ist The Emperor's Shadow von Zhou Xiaowen ein gewaltiger Historienfilm, der gleichwohl durch das Thema des Verhältnisses von Kunst und Macht eine kaum verhohlene politische Ebene enthält. Und nebenbei bemerkt: In bezug auf Schauwerte und Dramatik zöge etwa ein Braveheart hier den Kürzeren.

Sven Sonne