■ USA: Werden die Einwanderer zu Sündenböcken?
: Der Abschied vom weißen Amerika

„Schmeißt alle illegalen Immigranten raus!“ Dies kann, historisch unbeschwert, eigentlich nur einer in den USA fordern: der amerikanische Indianer – fälschlich so genannt, weil bekanntermaßen der erste Fremdling aus der Alten Welt bei seiner „Entdeckungsreise“ ein wenig die Orientierung verloren hatte. Stimmung gegen Immigranten zu machen – legale wie illegale – hat derzeit wieder einmal Konjunktur in den USA. Ob Antiterrorgesetze, Sozialhilfereform oder „English Only“-Initiativen – Einwanderer sind derzeit beliebte Sündenböcke. Sie zu treten scheint politisch profitabel.

Solche Phasen der Immigrantenfeindlichkeit hat es im Einwanderungsland USA immer wieder gegeben. Bloß war dies in aller Regel das Vorspiel zu einer beschleunigten, mehr oder weniger freiwilligen Integration – nicht zu fortgesetzter Ausgrenzung. Genau dieser Prozeß wiederholt sich heute. Aus Sündenböcken werden Staatsbürger, die von ihrem Wahlrecht fürs erste intensiver Gebrauch machen als ihre alteingesessenen Landsleute.

Damit soll keineswegs beschönigt werden, welch verheerende Folgen die jüngsten Gesetze in Kombination mit der andauernden fiskalischen Krise in den Großstädten gerade für Einwanderer hat. Der jüngste Kahlschlag in der Sozialhilfe trifft sie besonders hart. Die rhetorische wie reale Hatz auf Illegale kommt – bei aller Distanz – auch den legalen Einwanderern verlogen vor. Jeder weiß, daß die weiße Mittelschicht in Städten wie Los Angeles ohne ihre illegale Dienstbotenkaste aus Mexiko und El Salvador ebensowenig existieren könnte wie der Gesundheitssektor ohne legale Immigranten aus Indien oder der Dominikanischen Republik.

Diese demographischen Trends sind Vorboten einer historischen Wende. Der Anteil der weißen Amerikaner an der US-Bevölkerung wird bis Mitte des nächsten Jahrhunderts auf unter 50 Prozent schrumpfen. Daran werden weder das xenophobische Geschrei Pat Buchanans noch die aktuellen legislativen Fußtritte des Parlaments etwas ändern. Immer mehr Bewohner aus dem „Hinterhof der USA“ ziehen ins „Vorderhaus“ – und im Unterschied zu Immigranten früherer Tage könnten sie den American mainstream sehr viel stärker beeinflussen als umgekehrt. Andrea Böhm