■ Querspalte
: End of the pipe

Wie aufregend konnte es als Schulanfänger noch sein: Pausenklingeln, Hitzefrei und dann nischt wie mit Marina untern Rasensprenger. Marina, in ihrem geringelten Synthetikbikini, ganz ohne Oberweite. Trotzdem ging die Post ab, weit hinten an der Häuserwand. Verschämter Blick links, verschämter Blick rechts. Rasendes Trommeln in der Brust. Die Röte fegt wie Brennesseln übers Gesicht, als Marina sich ziert. Doch dann machen wir's wie die Großen: Auf Marinas Backe entlädt sich ein trockener Schmatzer. Und als sei das nicht genug, überlegen wir fortan – leise, leise –, wie es denn „mit Zungenschlag“ wäre. French kiss, wie die Amis sagen. So ein feucht-verwegener Kuß war es nicht mal, den Erstkläßler Jonathan Prevette aus Lexington im schwülen Georgia seiner Angebeteten aufdrückte. Jonnys Gefühle gipfelten in einem sachten Bussi auf die Wange einer Mitschülerin. Weniger zart fiel die Reaktion der Schulleitung aus. „Wenn ein Sechsjähriger eine Sechsjährige küßt, ist das unziemliches Verhalten“, urteilte Schulvertreterin Jane Martin. Little John wurde vom Unterricht suspendiert. Wegen sexueller Belästigung.

So wird einer früh erwachsen zwischen Fernsehpredigten und Gangsta-Rap. Und vor allem: korrekt. Gods own country hat die Nase vorn. Waren es nicht als erste US-Saubermänner, die mit dem Autokatalysator korrektes Umweltbewußtsein am Auspuffrohr demonstrierten. Und jetzt kommt, gottlob, der neue Zensur- Chip an der Bildschirmröhre, der ballergeilen Kids die Brutalitäten wegfiltert. End of the pipe.

Bleibt in den schmutzigen Niederungen der Gegenwart eigentlich nur noch das anstößige Lippenbekenntnis von Erstkläßlern. Warum nicht mit der Einführung von Schuluniformen auch eine Zahnspange verordnen, deren sensorgesteuerte Mechanik bei den Kurzen einen Kußmund verhindert? Ganz pragmatisch. Wäre doch gelacht, wenn die moralisch erneuerten USA das nicht hinbekämen: erotical correctness der Sexjährigen. Thomas Worm