Filmfest Hamburg
: Oben drauf: Tomaten, Thunfisch oder Pilze

■ Nach sieben Tagen nun die Schlußklappe für das gut besuchte Hamburger Filmfest

„Film ist wie eine Pizza“, meinte Claude Denis nach der Vorführung ihres Films Nénette et Boni. „Der Regisseur muß den Handlungsteig durchkneten bis er geschmeidig ist. Dann kann man überlegen, ob man Tomaten, Pilze oder Thunfisch drauflegt, eine Liebesgeschichte oder einen Thriller daraus macht“.

Denis' Beitrag auf dem diesjährigen Hamburger Filmfest zählte sicherlich zu den liebevoll zubereiteten Edelpizzas. Zwar brauchte ihr Plot eine längere Backzeit, doch gerade aus dem Durativen entwickelte der Film eine innige Bindung zu seinen Figuren: dem einsam onanierenden Pizzabäcker(!) und seiner schwangeren Schwester, deren Mutterschaft ihrem Bruder soviel Respekt abverlangt, daß er zum ersten Mal Verantwortung übernimmt und seine hermetische Welt aus sexuellen Phantasien und dösiger Tagedieberei verläßt.

Und als sich Denis schüchtern den Fragen der noch selig ermatteten Zuschauer stellte, war das einer der glücklichen Momente, in denen das Filmfest seinen Anspruch als Publikumsfest einlösen konnte.

Die gut besuchten Randprogramme wie die Hamburger Filmwerkstatt oder die australischen Down-under-Filme zeigten, daß dem Publikum keineswegs allein an Prominenz gelegen war, sondern mindestens ebenso an Raritäten. Und als Stephen Frears seinen Douglas-Sirk-Preis entgegen- nahm, interessierte das einige Zuschauer noch weniger als den sichtlich genervten Preisträger selbst, so daß sich der Saal frühzeitig lichtete. Festleiter Josef Wutz übergab gerade „das tolle Teil“ mit einem flüchtigen Kommentar zum „Thatcherism“ im besonderen und Britischem Film im allgemeinen, da schleuderte ein Aufgebrachter mit britischem Akzent mehrfach ein herzhaftes „Du Arschloch“ zur Bühne, bis man ihn aus dem Saal entfernte.

Wenig Pracht für ein Fest, das sich so gerne mit VIPs schmücken möchte. Eher gemütlich denn glamourös, das Ehrendinner für Frears, der in einem Interview bekannte, noch nie zuvor vom Sirk-Preis gehört zu haben. Als er erfuhr, daß Eastwood den Preis im Vorjahr erhalten hatte, habe er sich gedacht, „was für Clint gut war, kann für Stephen nicht schlecht sein.“

Unspektakulär auch der Empfang mit Kultursenatorin Christina Weiss. Hier echoten vor allem zwei Fragen durch den Raum: „Wo ist sie bloß?“ und „Hat sie ihre Ansprache schon gehalten?“ Sie hatte, aber das sowie die hier überwiegend unsichtbare Prominenz sahen die meisten erst zuhause vor dem Fernsehen.

Auf der Pressekonferenz am vergangenen Mittwoch zeigte sich das Filmfest-Team sehr zufrieden. Der Umsatz aus dem Vorverkauf habe sich im Vergleich zum Vorjahr fast verdoppelt. Die Zahl der Kinobesucher, etwa 30.000, liege um rund ein Drittel höher als 1995. In Zukunft, so versprach Wutz, wolle man sich stärker des Regie-Nachwuchses annehmen. An der Mischung, etliche Previews mit großen Namen und „billigere Filme mit noch nicht so großen Namen“, werde er festhalten. Ob zukünftig „Hollywood“-, no-name-, oder „Vier Jahreszeiten“-Pizzas für Unentschiedene auf der Karte stehen, wir werden sehen. B. Glombitza