Ohne politischen Theaterdonner

■ Zum dreißigsten Geburtstag der DFFB präsentiert 3sat eher gemäßigte Filme aus den Anfangsjahren. „Low budget – high energy. Die frühen Filme“, 23.30 Uhr

Am letzten Wochenende feierte die Deutsche Film- und Fernsehakademie in Berlin (DFFB) Geburtstag – heute abend zeigt 3sat eine Reihe von Filmen aus der geschichtsträchtigsten Zeit der DFFB: Es war in den späten sechziger Jahren, als die Studenten der Akademie Filme im Fahrwasser der APO drehten. Diese Schaffensphase endete jedoch mit einem Eklat: 1968 flogen 18 der politisch aktivsten Studenten von der DFFB, nachdem sie im Mai des Jahres die Schule besetzt und in „Dsiga-Wertow-Akademie“ umgetauft hatten.

Zum allerersten Jahrgang an der Berliner Filmakademie gehörten viele Studenten, die heute als Autorenfilmer zum Teil international bekannt sind: Darunter Hartmut Bitomsky, Harun Farocki, Helke Sander und Wolfgang Petersen. Zwei andere Studenten aus den frühen DFFB-Jahren wurden ebenfalls bekannt, wenn auch nicht als Filmemacher: Holger Meins, der als RAF-Mitglied 1974 im Gefängnis an den Folgen eines Hungerstreiks starb, und der Schweizer Philip Sauber, der sich der militanten „Bewegung 2. Juni“ anschloß und 1975 in Köln bei einem Schußwechsel mit der Polizei getötet wurde.

Obwohl bis auf Wolfgang Petersen Studentenarbeit „Der eine – der andere“ alle Filme von der Fraktion politisch engagierter DFFB-Studenten stammen, fehlt die laute Propaganda völlig. Die Agitationsfilme, die an der DFFB auch gedreht wurden, zeigt 3sat nicht. Statt dessen hat man Arbeiten ausgewählt, die einen Eindruck von der Vorgeschichte, aus der sich die deutsche Studentenbewegung entwickelte, geben.

Lediglich zwei Filme nehmen sich direkt der politischen Themen der APO an: Carlos Bustamentes Experimentalfilm „De opresso liber“ handelt vom Vietnamkrieg und dem deutschen Protest dagegen, und in Harun Farockis Kurzfilm „Die Worte des Vorsitzenden“ werden Worte zu Waffen: Aus einigen Seiten der Mao-Bibel wird ein Pfeil gefaltet, der den Schah von Persien tötet.

Helke Sander, die später eine der wichtigsten feministischen Filmemacherinnen in Deutschland wurde, behandelt in „Subjektitüde“ eher spielerisch ein Thema, das ihre männlichen APO-Mitstreiter gerne als „Nebenwiderspruch“ im Kapitalismus abtaten: das Patriarchat. Eine Frau ist an einer Bushaltestelle aufdringlichen Männerblicken ausgesetzt, dazu kommentiert Sanders Stimme aus dem Off die Szene.

Am meisten überraschen dürften die heutigen Zuschauer die Filme von Holger Meins und Philip Sauber. Meins „Oskar Langenfeld. 12mal“ ist ein distanzierter Dokumentarfilm über einen Berliner Lumpensammler im Stil des Direct Cinema. Statt agitatorischer Kommentare verläßt sich Meins auf die Kraft seiner in langen Einstellungen aufgenommenen Bilder. Philip Saubers „Der einsame Wanderer“ ist eine Hommage an den dänischen Regiepuristen Carl Theodor Dreyer. Auch hier fehlt politischer Theaterdonner. Statt dessen erlauben diese beiden Filme auch einen anderen Blick auf zwei Menschen, die in den siebziger Jahren wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer „terroristischen Vereinigung“ dämonisiert wurden. Tilman Baumgärtel