Deformationen doofer Menschen

■ „Oedipus Rex“ und „Die Verweigerung“ in der Musikhochschule

Was der richtige Opernalltag nicht zu zeigen wagt, dürfen an der Musikhochschule junge Musiktheaterregisseure ungebremst in Szene setzen. Eine Doppelpremiere, zwei Opern bzw. opernartige Diplominszenierungen, präsentierte jetzt das Junge Forum Musiktheater. Mit einem opernoratorischen Klassiker der Moderne, mit Igor Strawinskys Oedipus Rex, begann der facettenreiche Abend. Oedipus Rex zählt zu Strawinskys neoklassizistischen Stücken. Vieles wirkt darum stilisiert, manchmal gestelzt, in jedem Fall aber kühl und fern. Jean Cocteaus Libretto wurde auch von Jean Daniélo ins Lateinische übersetzt. Die Musik bedient sich dezent der Stilwelten Bachs und Händels. Die damals zeitgenössische Musikkritik wußte mit dem die Sophokleische Tragödie letztlich parodierenden Stück wenig anzufangen.

Für die Inszenierung von Alexander von Pfeil fertigte Dirigent Markus Frank eine Version für zwei Klaviere und Pauken an. In geradezu archaischen Klanglichkeit verengte sich das Augenmerk auf die Bühne. Dort hantierte der Chor mit Leitern, die geistig Gefangenen klettern hinauf zur Erkenntnis. Cocteaus süffisante Stimme, die von einem Schauspieler simultan übersetzt wurde, kommentiert die Szenen. Ein Stück, das in seiner ästhetischen Strenge immer noch die Aura der Unnahbarkeit verbreitet. Sämtliche Akteure, gerade auch der Chor, spielten und sangen mit großem Engagement. Das galt auch für die andere Premiere des Abends, die gänzlich anderer Natur war.

Gerhard Rosenfelds 1989 uraufgeführte Oper Die Verweigerung nach den Aufzeichnungen eines Wahnsinnigen von Nicolai Gogol ist eine literarische Oper, die einfach drauflos erzählt. Rosenfeld ist so ganz der Theaterkomponist, der die Story auf der Bühne behutsam kommentiert. Ein kleines Ensemble gab die nötige Klangpalette hierfür. Die Verweigerung, das ist die schon klassische Geschichte des mit Phantasie infizierten Individuums, das aus der Maschinerie des Alltags ausbrechen möchte, aber am uniformen Kollektiv scheitert. Jungregisseur Roman Hovenbitzer läßt seinen Helden Axenti in einer Büroatmosphäre – Tisch neben Tisch vor gelber Wand – stumpfsinnige Büroarbeiten versehen. Zwei Futurograzien kichern mit grellen Perücken über die Bühne. Offenbar die weiblichen Vertreter der neuen Oberflächlichkeit. Die Herren sind nicht minder blöd. Ein Herr Direktor faselt halbverdaute Weisheiten aus antikem Gedankengut. Am Ende wird der Außenseiter für verrückt erklärt. Alles sehr ordentlich inszeniert, aber schließlich obsiegt doch die Gaudi über die Deformationen der doofen, medienverseuchten Menschen. Sven Ahnert