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■ Rosi Rolands Bremer GeschichtenDie Möchte-gern-VIPs

Etwa 400 Leute feierten bis in die Morgenstunden mit der taz Geburtstag. Eigentlich hätte die taz sie gerne alle eingeladen – wie man das halt so macht zum Geburtstag. Ging aber nicht. Das Loch in der taz-Kasse war ja gerade erst durch die letzte Abo-Kampagne geflickt worden. Deshalb standen auf der sogenannten Gästeliste auch nur die Namen von tazz lern und ehemaligen Mitarbeitern. Selbst die Ehefrauen, Männer, Freunde und Freundinnen von tazzlerInnen zahlten zehn Mark Eintritt. Und auch die taz-GönnerInnen, GeldgeberInnen, PolitikerInnen, ex-SenatorInnen und Staatsräte zückten ohne zu murren ihre Geldbörse.

Nur Kathrin Kummerow von den Grünen wollte nicht zahlen. Vor einer Woche zur Landesvorstandssprecherin der Grünen gewählt, schwebte sie (von Allüren getragen?) an der Kasse vorbei und begehrte für sich und ihre Begleitung freien Eintritt. Der Türsteher schüttelte den Kopf. „Tut mir leid, Sie stehen nicht auf der Gästeliste .“ „Wie bitte, die Grünen stehen nicht auf der Gästeliste?“ (Warum sollten sie?) „Nein, tut mir leid“, wiederholte der Türsteher. „Also, das muß wohl ein Versehen sein. Ich bin Kathrin Kummerow von Bündnis 90/Die Grünen“, sagte die Landesvorstandssprecherin und zückte zum Beweis ihren Ausweis. Der Türsteher zuckte mit den Achseln und ließ Frau Kummerow samt Begleitung passieren. „Ich bin seit zehn Jahren Türsteher, aber die war so resolut“, klagte er später. Merkwürdig. Dabei hatte Frau Kummerow der taz zum Zehnjährigen sogar schriftlich gratuliert, weil „ich mit Zufriedenheit feststellen kann, daß es in Bremen augenscheinlich genügend Abonnenten gibt, die den Politischen Preis zum taz-Erhalt zahlen können.“

Vielleicht wollte sie sich diesen Gruß mit einer Eintrittskarte bezahlten lassen. So wie Radio-Moderatorin Hilke Theessen von Radio-Bremen 4. „Gibt es eine Gästeliste“, fragte sie kurz vor dem Fest telefonisch an. „Nein, tut uns sehr leid.“ „Und wie kommt man da jetzt rein?“ „Es gibt Karten an der Kasse.“ „Und was kosten die?“ „Zehn Mark.“ „Muß ich das jetzt allen Ernstes bezahlen“, wollte Hilke Theessen allen Ernstes wissen. „Ja, wir können leider nicht mal den Leuten freien Eintritt spendieren, die viel für uns getan haben...“ „Wir haben auch viel für Euch getan“, unterbrach die Moderatorin. „Wir haben gerade Klaus Wolschner interviewt.“ „Ja, aber“, geriet die tazzlerin verwirrt ins Stottern. „Gehört es nicht zu den normalen Aufgaben von Journalisten, über Ereignisse zu berichten und Leute zu interviewen. Laßt Ihr Euch sowas etwa vergüten?“ „Ja, also. Ich finde Eure Berichte auch manchmal nicht gut. Die Frage nach einer Gästeliste wird doch wohl noch erlaubt sein“, echaufierte sich Hilke Theessen. Natürlich. Fragen kostet nichts.

Übrigens: Klaus Wolschner ist tatsächlich von Radio Bremen interviewt worden, allerdings nicht von Hilke Theessen, sondern von einem ihrer Kollegen. Und der hat nie nach einer Eintrittskarte gefragt. Hilke ist nicht zur Party gekommen. Ob das nun am Eintrittspreis oder an den Berichten lag, darüber spekuliert jetzt

Ihre Rosi Roland

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