Hauptstadt ohne Häuslebauer

Wohneigentum in Berlin ist teuer. Wer in den eigenen vier Wänden wohnen möchte, wandert deshalb oft ins Umland ab. Förderinitiative des Senats
■ Von V. Wartmann

Häuslebauer sollen es in Berlin in Zukunft leichter haben. Bausenator Jürgen Klemann (CDU) plant, landeseigene Grundstücke zu Vorzugspreisen an Bauwillige abzugeben. „Allein nach Bekanntwerden der beabsichtigten Grundstücksverkäufe haben sich in wenigen Tagen mehrere hundert Interessenten gemeldet“, so Klemann.

Eine Arbeitsgruppe unter Leitung von Staatssekretär Ulrich Arndt befaßt sich derzeit mit der Frage, welche Voraussetzungen geschaffen werden müssen, um den Bürgern Berlins den Bau oder den Erwerb eines Eigenheims zu ermöglichen, das den 300.000- Mark-Kostenrahmen nicht überschreitet.

Doch noch sind die Baukosten meist zu hoch, günstige Grundstücke gibt es kaum. Der Verkauf von Landesgrundstücken zu Vorzugspreisen sei ein geeignetes Förderinstrument, um zum Eigentumserwerb zu motivieren, glaubt die Senatsverwaltung. Das hätten schon Erfahrungen in anderen Bundesländern gezeigt. „Bevor die Initiative in die Tat umgesetzt werden kann, müssen erst ein funktionierendes Grundstücksmanagement entwickelt und die Vergaberichtlinien erarbeitet werden“, sagt Petra Reetz, Pressesprecherin der Senatsbauverwaltung. Und das werde noch etwas länger als ein paar Wochen oder Monate dauern.

In den letzen Jahren sind viele Berliner, die ein Haus bauen wollten, ins Umland abgewandert. Zwar kosten Eigenheime in Brandenburg etwa genausoviel wie in Berlin. Doch Grundstücke sind außerhalb der Stadt noch deutlich billiger. Kein Wunder, daß 61.000 Berliner in den vergangenen fünf Jahren der Stadt den Rücken kehrten. Gleichzeitig zog es nur 32.000 Brandenburger in die Hauptstadt. „Durch die Abwanderung gehen Berlin viele zahlungskräftige Steuerzahler verloren“, sagt Alexander Rainoff, Vorsitzender des Verbandes Deutscher Makler für Grundbesitz und Finanzierung (VDM) im Landesverband Berlin.

Die Wohneigentumsquote in Berlin liegt nach Angaben des Bausenats gerade mal bei rund 9 Prozent: im Westen sind es 10,3, im Osten 4,5 Prozent. Zum Vergleich: In München und Hamburg gehört nahezu jede fünfte Wohnung denen, die drin wohnen. Grund für die niedrige Quote in Berlin ist neben den hohen Grundstückspreisen das relativ niedrige Mietniveau.

„Berlin liegt im bundesweiten Vergleich im mittleren Bereich. Viele Altbauwohnungen kosten hier noch unter 10 Mark pro Quadratmeter Miete. Während man beispielsweise in München Wohnungen mit einem Quadratmeterpreis von 20 Mark problemlos vermieten kann, sind solche Wohnungen in Berlin oft nur schwer an den Mann zu bringen“, so Pressesprecherin Reetz.

„Zudem wurde mit der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen in West-Berlin erst vor etwa zwanzig Jahren begonnen“, erläutert Rainoff. Nach Angaben der Geschäftsstelle des Gutachterausschusses für Grundstückswerte in Berlin wurden in West-Berlin 1975 gerade mal rund 600 Wohnungen umgewandelt, 1993 waren es immerhin 22.000. 1994 sank die Zahl der Umwandlungen allerdings wieder unter 15.000.

Die Preise für Eigentumswohnungen sind hoch. Gerade wenn man stuckbesetzte Decken und Dielen auf dem Boden schätzt. „Ab 2.800 Mark pro Quadratmeter ist eine Altbauwohnung in Berlin zu haben“, so Rainoff. „Durchschnittlich muß man mit etwa 3.000 bis 3.500 Mark pro Quadratmeter rechnen. In den begehrten Innenstadtbezirken liegen die Preise noch höher. Der Preis hängt von Lage, Zustand und Ausstattung ab.“

Die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen birgt sozialen Zündstoff. Von der Umwandlungen oder dem Verkauf umgewandelter Wohnungen sind zu 80 bis 90 Prozent relativ preisgünstige Wohnungen betroffen, insbesondere Altbauwohnungen, die vor 1918 gebaut wurden, mit Mieten unter sieben Mark pro Quadratmeter, oder Sozialwohnungen der 50er und 60er Jahre, die für rund acht Mark Miete pro Quadratmeter zu haben sind. Das geht aus dem dem Mieterecho, der Zeitung der Berliner Mietergemeinschaft, hervor. Dadurch werde gerade für einkommensschwache Schichten der Wohnungsmarkt enger.

„Mieter in umgewandelten Wohnungen sind in gewisser Weise Freiwild“, sagt Reiner Wild, stellvertretender Geschäftsführer des Berliner Mietervereins. „Nur etwa jede zehnte umgewandelte Wohnung wird von den Mietern selbst gekauft.“ Immerhin darf Mietern umgewandelter Wohnungen erst nach zehn Jahren gekündigt werden. Der Verkaufspreis unvermieteter Wohnungen lag daher nach Angaben des Mieterechos in den letzten Jahren durchschnittlich 40 Prozent über dem einer vermieteten Wohnung.

Oftmals werden Mieter in umgewandelten Wohnungen durch Schikanen und Belästigungen von den Eigentümern verdrängt. „Rund 20 bis 30 Prozent der Mieter in umgewandelten Wohnungen werden vertrieben“, so Wild. „Die meisten Käufer erwerben Eigentumswohnungen jedoch als Kapitalanlage und steuerliche Abschreibungprojekte.“ Daß sich die Eigentumsquote in den nächsten Jahren bedeutend ändern wird, glaubt Wild nicht: „Dazu ist die Situation in Berlin zu ungünstig, als daß sich da ein nachhaltiger Trend herausbilden könnte. Für eine Fünfzimmerwohnung in Friedenau muß man schon 500.000 bis 700.000 Mark ausgeben. Und welche Familie kann das schon?“