Beweglich Wohnen aus Tradtion

■ Lohnt es sich, eine Wohnung zu kaufen, statt monatlich Miete zu zahlen?

Berlin ist und bleibt eine Mieterstadt. Nicht einmal jede zehnte Wohnung in der Hauptstadt gehört denjenigen, die drin wohnen. Dabei kann es sich auch in Berlin durchaus rechnen, eine Wohnung zu kaufen oder ein Haus zu bauen. Denn Mietwohnungen sind teuer.

„Für rund zehn Prozent der Mieter könnte es sich finanziell lohnen, eine Eigentumswohnung zu kaufen“, schätzt zumindest Alexander Rainoff, Vorsitzender des Verbandes Deutscher Makler für Grundbesitz und Finanzierung (VDM) im Landesverband Berlin, „schon aus steuerlichen Gründen.“ In der Tat: Bei einer Monatsmiete von 600 Mark kommen im Laufe von 30 Jahren Mietkosten von mehr als 400.000 Mark zusammen, eine jährliche Mietsteigerung von vier Prozent vorausgesetzt. Viel Geld. Doch lohnt es sich deshalb, selbst etwas zu kaufen?

„Es läßt sich nicht pauschal sagen, wer sich Wohneigentum leisten kann“, sagt Claus-Günther Richardt, Sprecher der Geschäftsleitung der Landesbausparkasse Berlin (LBS). Das hängt natürlich von vielen Faktoren ab: Kaufpreis und Nebenkosten des Objekts, Eigenkapital, die derzeitige Kaltmiete, die bisherige Sparleistung, sonstige finanzielle Belastungen und ein langfristiges Einkommen. „Für eine gesunde Finanzierung sollten 20 Prozent der Gesamtkosten vorhanden sein. Vorausgesetzt, daß die Belastungen der restlichen Finanzierung getragen werden können“, so Richardt. Für die Vergabe von Krediten nennt zum Beispiel die LBS Berlin folgende Richtinien: Nach Abzug aller Verpflichtungen aus der Immobilienfinanzierung und der laufenden finanziellen Belastungen sollten vom Nettoeinkommen pro erwachsenem Familienmitglied monatlich mindestens rund 1.000 Mark zur Verfügung stehen. Für jedes Kind oder andere Haushaltsangehörige ist ein Betrag zwischen etwa 400 und 850 Mark dazuzurechnen, gestaffelt nach Alter. Das heißt, um kreditwürdig zu sein, sollten einer Familie mit zwei etwa zehn Jahre alten Kindern nach Abzug aller Verpflichtungen noch rund 3.000 Mark netto zum Leben bleiben.

Die Möglichkeiten, Wohnungen zu kaufen, sind derzeit in Berlin so gut wie selten zuvor. Nach dem Altschuldenhilfegesetz von Juni 1993 dürfen die hochverschuldeten Wohnungsbaugesellschaften im Ostteil der Stadt 15 Prozent ihrer Wohnungsbestände verkaufen, was sie zur Bezahlung ihrer Altschulden in der derzeitigen Situation auch müßten. Knapp 34.000 Wohnungen stehen zum Verkauf. Damit die Wohnungsprivatisierung zum gewünschten Erfolg führt, müssen die Wohnungen zu „sozialverträglichen“ Preisen angeboten und vorrangig an die Mieter verkauft werden. Doch trotz der recht günstigen Preise haben die Wohnungsbaugesellschaften bisher erst 650 Wohnungen verkauft. Die Wohnungsbaugesellschaften stehen unter Zeitdruck, so die Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände (AgV): Je schneller sie verkaufen, um so mehr können sie vom Verkaufserlös behalten. Sonst müßten sie den Erlös mit steigendem Anteil an den Bund abführen. Im Westteil der Stadt, wo die Wohnungsbaugesellschaften aus Gründen der Gleichstellung ebenfalls 15 Prozent ihres Bestands verkaufen dürfen, sind bis Mitte 1996 erst 89 Wohnungen privatisiert worden. Denn der Kauf bietet nicht nur Vorteile: „Als Eigentümer einer Wohnung in einem großen Haus hat man nur sehr geringe Mitspracherechte. Zum Beispiel bei Modernisierungsfragen. Auch Reparaturkosten am Haus muß man dann anteilig mittragen“, sagt Reetz. „Solche Aussichten schrecken natürlich viele ab.“ Berlin sei keine reiche Stadt wie München, sondern ein Industrieballungszentrum, so Reetz. „Die meisten Menschen hier haben das Bedürfnis, beweglich zu bleiben“, sagt Reetz. „Berlin ist traditionell eine Mieterstadt und wird es auf absehbare Zeit auch bleiben.“ Volker Wartmann