Reform im eigenen Interesse

■ CDU stellt als letzte Partei Details über Parlamentsreform vor. Am Montag werden die Fraktionschefs der Parteien erstmals über das strittige Thema beraten

Die Koalitionspartner CDU und SPD gehen mit recht unterschiedlichen Vorstellungen in die Verhandlungen um die Parlamentsreform. Bevor am Montag die Fraktionsgeschäftsführer von CDU, SPD, PDS und Bündnisgrünen zum ersten Mal über die Reform beraten, hat jetzt als letzte der Parteien die CDU ihre Vorschläge auf den Tisch gelegt. Dabei unterscheiden sich die Vorschläge der CDU in fast allen Kernpunkten von der SPD: Während die Sozialdemokraten und auch die Bündnisgrünen sich von Vollzeitpolitikern mehr Effizienz versprechen, will die CDU es bei der jetzigen Regelung der Teilzeitabgeordneten belassen, die zumeist noch einem Beruf nachgehen.

Zum größten Konfliktpunkt dürfte die von der CDU gewünschte Wahl aller Ausschußmitglieder werden. Als Begründung nennt CDU-Geschäftsführer Volker Liepelt, daß dies die Landesverfassung vorsehe. Die SPD will dagegen an der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses festhalten, wonach die Fraktionen ihre Vertreter in den Ausschüssen benennen. Bereits bei der Auseinandersetzung um die Benennung des PDS-Abgeordneten Freke Over für den Verfassungsausschuß hatte die CDU vorgeschlagen, daß die Mitglieder dieses Gremiums gewählt werden. Mit dem Vorstoß, nun die Mitglieder aller Ausschüsse wählen zu lassen, will die CDU ihr Ziel unter dem Mäntelchen der „Verfassungskonformität“ doch noch erreichen. Falls dies am Widerstand der SPD und der Opposition scheitern sollte, will man den Verfassungsausschuß in eine Parlamentarische Kontrollkommission umbenennen. Deren Mitglieder müßten ebenfalls gewählt werden.

Auch bei der Verkleinerung des Parlaments, die von der SPD und den Bündnisgrünen angestrebt wird, will die CDU nicht mitmachen. Die geplante Verkleinerung auf 150 Abgeordnete war bei der letzten Wahl an der hohen Zahl von Direktmandaten gescheitert, die die Zahl der Abgeordneten auf 206 hochschnellen ließ. Dieser Effekt ließe sich nur durch eine Änderung des Verhältnisses der Direktmandate zu den Listenplätzen verändern. Dies ginge jedoch zu Lasten der Direktmandate und wird von der CDU abgelehnt. Vordergründig lautet die Begründung, daß Direktkandidaten der Garant für Bürgernähe seien. Dahinter verbirgt sich aber eine gewisses Eigeninteresse, denn die CDU hat mit 54 Direktmandaten den höchsten Anteil der in den Wahlkreisen direkt gewählten Kandidaten. CDU und PDS verlören durch die Änderung einige Direktmandate.

Wenn es nach der Großen Koalition geht, wird die Zahl der Vizepräsidenten des Abgeordnetenhauses reduziert. Statt bisher drei Stellvertretern soll es nur noch zwei (CDU) oder sogar nur einen (SPD) geben. PDS und Grüne fordern dagegen, daß jede der im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien einen Stellvertreter stellt – derzeit also vier.

Mit Ausnahme der PDS sind alle Fraktionen dafür, die Zahl der 23 Ausschüsse und sieben Unterausschüsse stark zu reduzieren. Die CDU will für jedes der zehn Senatsressorts einen kontrollierenden Ausschuß bilden. Andere Vorschläge reichen von 15 bis 18 Ausschüsse. Bündnisgrüne und PDS fordern, daß der Opposition im Hauptausschuß und in allen Untersuchungsausschüssen automatisch der Vorsitz zufällt. Die PDS fordert zudem, daß Ausschußvorsitzende nicht der gleichen Partei angehören sollen wie der jeweilige Senator. Grüne und PDS fordern außerdem, daß Senatsmitglieder nicht gleichzeitig dem Abgeordnetenhaus angehören können.

Seltene Einträchtigkeit gibt es in der Frage, wie die Parlamentssitzungen „lebendiger“ gestaltet werden können. CDU, SPD und PDS wollen künftig wie im Bundestag „Kurzinterventionen“ zulassen. Die CDU beklagt andererseits, daß in letzter Zeit „zunehmend Werturteile, polemische Formulierungen oder parlamentarisch unzulässige Wendungen“ in Anträgen oder Anfragen auftauchten und will diese unterbinden. Zu diesem Zweck soll der Parlamentspräsident Beratungsgegenstände zurückweisen können, „wenn sie gegen die parlamentarische Ordnung“ verstoßen.

Systemsprengend sind nur einige PDS-Vorschläge: das Rederecht für BürgerInnen in Ausschüssen und die Möglichkeit, daß Bürger SenatorInnen und Abgeordnete bei Plenarsitzungen in einer Fragestunde zur Rede stellen, haben aber kaum Aussichten, verwirklicht zu werden. Eine Entscheidung des Ältestenrates über die Parlamentsreform wird frühestens im Frühjahr 1997 erwartet. Dorothee Winden