Eurotunnel gehört künftig Europas Banken

■ Kein Konkurs, Banken bekommen 49 Prozent. Fährlinien gehen zusammen

Berlin (AFP/dpa/taz) – Das Geschäft mit dem Weg über den Ärmelkanal wird völlig neu geordnet. Nach einer siebenmonatigen Kraftprobe haben sich der französisch-britische Kanaltunnelbetreiber Eurotunnel und die Gläubigerbanken auf einen Plan zur Neuordnung der Schulden in Höhe von knapp 21 Milliarden Mark geeinigt. Nach Angaben aus gutunterrichteten Kreisen in Paris sieht der Umschuldungsplan vor, daß die Banken im Gegenzug zu einem Teilerlaß der Schulden 49 Prozent des Eurotunnelkapitals übernehmen. Die restlichen Schulden müsse die Tunnelgesellschaft vollständig zurückzahlen. Mit der Einigung wurde eine Zwangsverwaltung des von der Pleite bedrohten Unternehmens abgewendet. Der Verwaltungsrat von Eurotunnel stimmte dem Abkommen am Donnerstag zu.

Die wichtigsten Konkurrenten des Tunnelkonzerns, die britische Fährgesellschaft „P and O“ und die schwedische „Stena Line“ kündigten am Donnerstag an, künftig mit einer gemeinsamen Tochter gegen den Tunnel konkurrieren zu wollen. Die gemeinsame Tochter der zwei größten Fährgesellschaften Europas soll nur noch mit 14 Schiffen, also mit zwei Fähren weniger verkehren, und jährlich für die britische und schwedische Reederei rund 170 Millionen Mark einsparen. Rund 1.000 der bislang 5.500 Jobs im Kanalverkehr sollen verschwinden. Die Fähren bedienen heute noch 60 Prozent des Fracht- und Personenverkehrs über den Kanal.

Weitere Einzelheiten des Umschuldungsabkommens für die Tunnelgesellschaft sollen am Montag bekanntgegeben werden. Danach würden Börsennotierungen der Tunnelaktie wieder aufgenommen, hieß es bei Eurotunnel in Paris. Ein Teil der Schulden soll in Aktien umgewandelt werden. Der Umwandlungskurs liege unter jenem der letzten Kapitalerhöhung 1994, also unter 6,70 Mark pro Aktie. Im Gegenzug hätten die 225 Gläubigerbanken Zugeständnisse bei der Zinshöhe für die Restschulden gemacht. Eurotunnel hatte im September vorigen Jahres die Zinszahlungen für 18 Monate ausgesetzt. Den Löwenanteil des Aktienkapitals von Eurotunnel halten die 750.000 Kleinaktionäre. Sie haben bereits schwere Einbußen hinnehmen müssen: Die Eurotunnelaktie war 1987 zum Preis von 10,50 Mark an den Börsen eingeführt worden, stieg 1989 auf rund 40 Mark und war zuletzt nur noch knapp drei Mark wert.

Dem Abkommen muß jetzt noch ein Pool der 24 größten Gläubigerbanken zustimmen. Die Kleinaktionäre werden sich zu dem Umschuldungsplan auf einer außerordentlichen Generalversammlung äußern können, die voraussichtlich Anfang nächsten Jahres stattfindet.

Eurotunnel hat trotz einer Verdoppelung des Umsatzes im ersten Halbjahr 1996 noch Verluste in Höhe von rund 910 Millionen Mark gemacht.