„Nicht auf den großen Wurf warten“

■ Werner Jann, Professor für Verwaltungswissenschaften an der Uni Postdam, will die Lehrer aus dem Beamtenstatus entlassen

taz: Innenminister Kanther glaubt, daß er die Pensionskasse dadurch retten kann, daß er ab 2001 ein bißchen was zurücklegt. Reicht das, um die Pensionslawine zu bremsen?

Werner Jann: Das läßt sich so schnell nicht nachrechnen, aber ich habe große Zweifel, daß diese 0,2 Prozent das Problem der Pensionskassen in den Griff bekommen werden. Das Problem ist ja, daß ein immer größerer Teil der öffentlichen Mittel für die Pensionen ausgegeben wird. Das wird auch in künftigen Lohnverhandlungen eine Rolle spielen. Mit Blick auf die abgehenden 0,2 Prozent werden sie härter verhandeln.

Wie kommt es eigentlich, daß jedermann für seine Pension oder Rente einzahlen muß, nur die Beamten nicht?

Das hat mit den Traditionen des öffentlichen Dienstes in Deutschland zu tun, mit den „hergebrachten Grundsätzen“ des Berufsbeamtentums, die ja gelegentlich die „hergelaufenen Grundsätze“ genannt werden. Der Beamtenlobby ist es nach 1945 gelungen, diese Grundsätze ins Grundgesetz hinein zu schreiben. Beamte werden nicht nach Leistung bezahlt, sondern alimentiert.

Welche weiteren Grundsätze gelten für die Beamten?

Unkündbarkeit, kein Streikrecht, das sind die entscheidenden.

Zur Kaiserzeit waren diese Grundsätze vielleicht sinnvoll, um sich gegen die Obrigkeit zu verteidigen. Inwiefern behindern sie heute eine notwendige Reform der Verwaltung?

Diese Grundsätze sind heute disfunktional geworden, weil sie die Flexibilität, insbesondere eine leistungsgerechte Bezahlung blockieren. Entscheidend ist auch, daß sich diese Grundsätze auf die Angestellten des öffentlichen Dienstes und deren Bezahlung auswirken.

Warum werden sie dann nicht einfach abgeschafft?

Das ist eine alte Diskussion. In den siebziger Jahren gab es die große Dienstrechtskommission, die sich bemühte, ein einheitliches Dienstrecht zu schaffen. Das ist leider mißlungen und wird auch in absehbarer Zeit so bleiben. Die Diskussion über die Abschaffung des Beamtenrechts führt auf das falsche Gleis. Es ist irrig anzunehmen, daß eine Abschaffung des Beamtenrechts automatisch eine moderne öffentliche Verwaltung hervorbringen würde. Man muß nicht auf den großen Wurf warten, sondern den entscheidenden ersten Schritt machen: Teile des öffentlichen Dienstes aus dem Beamtenrecht herausnehmen, zum Beispiel die Lehrer. Die machen den größten Batzen aus.

Würde das schon genügen?

Nein, aber das wäre ein erster Schritt. Neben den Lehrern müßten auch die Angehörigen der Universitäten aus dem Beamtenstatus entlassen werden.

Sie wollen nur innerhalb des bestehenden Systems Reformen durchführen und die rechtlichen Vorgaben prinzipiell belassen?

Nein. Wir brauchen unbedingt Spitzenpositionen auf Zeit und insgesamt eine viel größere Flexibilität bei der leistungsgerechten Bezahlung. Die automatische Beförderung muß ebenso wegfallen wie die automatisch ansteigende Bezahlung. Interview: Christian Füller