Warten auf Tony Blair

■ EU-Sondergipfel in Dublin weicht Entscheidungen aus

Da wird sich Tony Blair aber freuen, wenn er hört, was sich die EU-Chefs ausgedacht haben. Weil die geplanten EU-Reformen mit dem derzeitigen britischen Premier nicht möglich sind, wollen sie die wichtigsten Entscheidungen erst kurz nach den britischen Wahlen im nächsten Jahr fällen. Später geht es nicht, weil die Aufnahmeverhandlungen mit Malta, Zypern und zehn mittel- und osteuropäischen Ländern den Reformabschluß voraussetzen.

Die sozialdemokratischen Regierungschefs von Österreich, Holland und Portugal haben direkt vor dem EU-Gipfel Videogrüße zum Labour- Parteitag nach Blackpool geschickt. Sie freuen sich auf die fruchtbare Zusammenarbeit mit Tony Blair, dem Chef der nächsten britischen Regierung. Premier John Major fand das gar nicht lustig und hat in Dublin vollends auf stur geschaltet. Es ist nicht zu erwarten, daß er den EU-Regierungschefs entgegenkommt und sich früh abwählen läßt. Er kann den Termin selbst bestimmen, bis Mai aber muß er wählen lassen.

Wenn sich die Umfragen bestätigen, gewinnt Tony Blair und wird dann sicher ganz wild darauf sein, gleich nach der Regierungsbildung einen neuen Maastricht-Vertrag zu unterschreiben, den die anderen 14 EU-Chefs ein Jahr lang ausgehandelt haben. Vor allem, weil Major wohl kaum darauf verzichten wird, die EU zum Wahlkampfthema zu machen. Auch in Blairs Partei gibt es Euro-Skeptiker. Blair hat bereits angedeutet, daß er nicht die Fahne des bedingungslosen Europäers hochhalten will. Die Sozialcharta will er unterschreiben, auf das britische Veto aber nicht verzichten. Bleibt die Frage, wo die EU-Regierungschefs den Optimismus hernehmen, daß Blair erstens die Wahlen wirklich gewinnt und zweitens sofort einen Maastricht-II-Vertrag unterschreiben wird, der fast ohne britische Mitarbeit ausgearbeitet wurde.

Vielleicht sind die Befürchtungen der EU-Kommission doch nicht aus der Luft gegriffen, daß die Regierungschefs nur noch eine Minimalreform wollen und Blair ein paar Allgemeinplätze unterschreiben darf. Daß sie erst den Euro und die Erweiterung wollen und dann darauf hoffen, die Reform nachträglich irgendwie hinzubasteln. Es wäre nicht das erste Mal, daß sich die EU auf diese Weise in eine bedenkliche Schräglage manövriert. Alois Berger

Bericht Seite 9