Gefaxte Spritzer

■ Carl Djerassis „Menachems Same“

Carl Djerassi ist Naturwissenschaftler und Romancier. Durch Glück und richtiges Timing, wie er in seiner Autobiographie Die Mutter der Pille schreibt, gelang ihm 1951 die erste Synthese eines oralen hormonellen Kontrazeptivums, und damit stand der Vertreibung der Anti-Baby-Pille nichts mehr im Wege. 1989 erschien der erste Teil einer Roman-Trilogie, die nun mit Menachems Same, dessen vordergründiges Thema die „künstliche Befruchtung“ ist, ihren Abschluß findet.

Djerassi, der während seiner Tätigkeit als Biomediziner rund 100 Erfindungen dem Patentamt meldete, hat auch einen Namen für seine Romangattung „erfunden“: Science-in-fiction. Alles unterhaltsame Bücher, vollgespickt mit pointiert-strittigen Wortwechseln, z. B. darüber, ob sich Breughel oder die Farbspritzer eines Pollack besser faxen lassen. Das vielfältig ironisierte Grundthema ist aber nach eigener Selbstaussage Djerassis der „zwanghafte Drang forschender Wissenschaftler nach Anerkennung durch Standeskollegen“.

In Cantors Dilemma ging es um die Entdeckung eines Krebserregers, für die der Professor und sein Doktorand schließlich den Nobelpreis erhalten. Aber das hierzu nötige Experiment ließ sich lange Zeit nicht in anderen Labors wiederholen, also nicht verifizieren. Und ohne Verifikation kein Nobelpreis.

Im zweiten Teil der Trilogie, Das Bourbaki Gambit, schlüpfen vier Wissenschaftler in eine fiktive, nur in Zeitschriftenartikeln auftretende Person, um der Wissenschaft eins auszuwischen. Anhand von Experimenten mit Haarwurzeln entdecken sie ein neues DNA-Vervielfältigungsprinzip, PCR genannt. 1989 wurde es von der Fachzeitschrift Science (nicht im Roman, sondern wirklich) zum „Molekül des Jahres“ ernannt.

Über die Trilogie hinaus hat Djerassi auch einen Author-in-fiction-Roman geschrieben: Marx, verschieden. Der Autor im Roman, Stephen Marx, täuscht einen frühen Tod vor und schreibt dann unter anderem Namen ein vielbeachtetes Erstlingswerk, während er zugleich den Nachruhm seines leiblich identischen, aber literarisch „verschiedenen“ Vorgängers verfolgt.

Eine unernste Ader, ein volles Ja zu kulinarischen und erotischen Genüssen sowie wissenschaftliche Strenge bilden in den männlichen Zentralgestalten dieser Romane die charakterliche Chemie. Wir haben es in Djerassis Büchern selten mit einem weltfremden Nur-Akademiker-Typus zu tun, dafür aber mit väterlichen, gutherzigen Charmeuren. Die breite Menschenkenntnis Djerassis scheint trotz ausgesuchter Personenwahl – Nichtakademiker kommen so gut wie nie zu Wort – durch alle Texte hindurch und verhindert, daß wir es mit literarischen Strichmännchen zu tun haben. Stefan Pröhl

Mittwoch, 9. Oktober, Lesung in der Buchhandlung Heymann, Eppendorfer Weg 27, 20 Uhr