Wieder Krieg in Nordirland

■ Nach den Bomben von Lisburn Gegenschlag der Loyalisten erwartet

Berlin (taz) – Nun ist auch der kümmerliche Überrest des nordirischen Friedensprozesses dahin. Nach zwei Bombenanschlägen auf das Hauptquartier der britischen Armee in Lisburn bei Belfast ist mit einer Rückkehr zur Gewalt in Nordirland zu rechnen. Die erste Bombe ging am Montag abend ohne Vorwarnung auf dem Gelände der Thiepval-Kaserne nur hundert Meter neben der Hauptverwaltung und den Wohnungen der Kommandanten hoch.

Als die Verletzten ins Militärkrankenhaus gebracht wurden, explodierte dort eine Viertelstunde später der zweite Sprengsatz. Experten schätzen, daß insgesamt bis zu 500 Kilogramm Sprengstoff im Spiel waren. Zwanzig Soldaten, zehn Zivilangestellte der Armee und ein achtjähriges Kind wurden verletzt. Zwar hat sich der „Continuity Army Council“, eine republikanische Splittergruppe, zu dem Anschlag bekannt, anzunehmen ist jedoch, daß zumindest Teile der IRA dahinterstecken. Zum einen hat sie die Taktik des Doppelschlags bereits 1979 angewendet, als bei Warrenpoint 18 britische Soldaten getötet wurden, zum anderen gehört die Thiepval-Kaserne zu den bestbewachten britischen Gebäuden. Für Splittergruppen ist ein solches Angriffsziel wohl eine Nummer zu groß.

Das Gelände ist nicht nur mit Mauern und Stacheldrahtzäunen gesichert, sondern auch durch Kameras, Radargeräte und ständige Patrouillen. Die Kaserne steht seit zwanzig Jahren ganz oben auf der IRA-Liste. Sinn Féin, der politische Flügel der IRA, hat den Anschlag bedauert, aber nicht verurteilt. Vizepräsident Martin McGuinness sagte, die Bombe habe „die Notwendigkeit des Dialogs zwischen allen Parteien“ unterstrichen. Sinn Féin ist von den Mehrparteiengesprächen ausgeschlossen, solange die IRA ihren Waffenstillstand nicht erneuert. McGuinness wies auf Palästina hin, wo man nach den Anschlägen versucht habe, den Karren durch Gespräche aus dem Dreck zu ziehen.

Damit ist in Nordirland nicht zu rechnen. Die loyalistischen Gefangenen haben vorige Woche verkündet, daß sie „dem Friedensprozeß die Unterstützung“ entziehen. Am Montag hielten sich Gary McMichael und David Irvine, die Chefs der politischen Flügel der loyalistischen Paramilitärs, gerade zu Verhandlungen mit den Gefangenen im Long-Kesh-Gefängnis auf, als die Bomben in Lisburn explodierten. Bis dahin seien die Gespräche sachlich verlaufen, sagte er, doch jetzt könne er für nichts mehr garantieren.

Der britische Premierminister John Major verurteilte die Tat auf dem Parteitag in Bournemouth als „barbarischen Akt“. Sein irischer Amtskollege John Bruton wählte dieselbe Formulierung. Und in Washington sagte Regierungssprecher Mike McCurry, das Attentat sei „ein verabscheuungswürdiger Akt der Gewalt“.

Die Sicherheitsvorkehrungen in Nordirland sind über Nacht drastisch verschärft worden. Auch die südirische Polizei hat reagiert: Die Polizisten, die seit Februar die innerirische Grenze zum Schutz vor verrückten Kühen aus Nordirland dichtgemacht hatten, sind abgezogen worden. Sie sind jetzt in Dublin im Antiterroreinsatz. Ein Pressesprecher der Polizei sagte, man müsse auch in der Republik Irland mit Vergeltungsschlägen der Loyalisten rechnen. Ralf Sotscheck